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Kommentar um "5 vor 12": Das Vertrauen ist zerbrochen 

Die Welt schaut hilflos zu, wie China sich Hongkong mehr und mehr einverleibt. China zeigt derweil großes Misstrauen gegen den Westen.
Christen in Hongkong
Foto: Ann Wang (X06716) | Chinas neues "Sicherheitsgesetz" nimmt nicht nur die Demokratiebewegung ins Visier. Auch Christen fürchten, Peking künftig schutzlos ausgeliefert zu sein.

Hilflos beobachtet die Welt, wie China die frühere britische Kronkolonie Hongkong gleichschaltet und das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" über Bord wirft. Könnte das vereinte Europa sich wenigstens zum Schutzherrn der bedrängten Christen Hongkongs aufschwingen, wie einst europäische Großmächte zu Paten der Orient-Christen? Wohl kaum, denn von der Schwäche und Westorientierung des Osmanischen Reichs im 19. Jahrhundert ist die chinesische Wirklichkeit Lichtjahre entfernt: Peking strebt keine Modernisierung nach amerikanischem oder europäischem Muster an, sondern sieht seine Zukunft und die Hongkongs in der Sinisierung. Im Reich Xi Jinpings herrscht ein alternatives Verständnis von Menschenrechten, Gesellschaft und Fortschritt. Und großes Misstrauen gegen jede ausländische Einmischung

Peking lässt sich nichts sagen

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Das bekamen Australien, Kanada, Neuseeland und die frühere Kolonialmacht Großbritannien zu spüren, die aus Protest gegen das neue Sicherheitsgesetz ihre Auslieferungsabkommen mit Hongkong aussetzten. Peking macht deutlich, dass es sich weder von diesen Mächten noch von den USA etwas sagen lässt. Der EU würde es nicht anders ergehen. Darum würde eine Fürsprecher- oder Schutzmachtrolle Europas für die Christen von Hongkong diese in Pekings Augen erst recht zu illoyalen Bürgern, ja zu potenziellen Vaterlandsverrätern machen. 

EU als Schutzmacht der Menschenrechte

Dennoch sind die EU und ihre 27 Staaten entschlossen, Chinas Vorgehen in Hongkong nicht tatenlos hinzunehmen. Weniger als Schutzmacht der Christen als der Menschenrechte: Die EU hat Peking an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen erinnert und die Wahrung der Rechte der Bürger Hongkongs angemahnt. Sie weiß jedoch, dass nicht schrille Töne, sondern allenfalls ihr Gewicht als Wirtschafts- und Handelsmacht für die Führung Chinas von Relevanz ist. Brüssel plant nun einen Mix aus Exportbeschränkungen und gezielten Hilfen für die Zivilgesellschaft Hongkongs. Zwar spricht die EU leiser als die USA unter Trump, doch ist auch Europas Vertrauen in Peking zerbrochen wie eine wertvolle chinesische Vase. 

Im Thema der Woche berichtet die "Tagespost" ausführlich über die Situation in Hongkong. Kardinal Zen berichtet im Interview zur Situation der Christen. Holen Sie sich das ePaper dieser Ausgabe kostenlos

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Stephan Baier Europäische Union Menschenrechte Völkerrecht Xi Jinping

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