Und um einzusehen, dass die vom Bundesgesundheitsminister und anderen favorisierte Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende auf eine Vergesellschaftung des menschlichen Körpers hinausliefe, braucht niemand weiter als bis zur nächsten Straßenecke zu denken.
Kann es sein, dass Patienten, die zum Weiterleben ein fremdes Organ benötigen, ein Anrecht auf die des dort verunglückten, später für hirntot erklärten Motorradfahrers entwickeln, nur weil dieser vor seiner schweren Schädel-Hirn-Verletzung einer Organentnahme nicht explizit widersprochen hatte? Kann Schweigen in so einem Fall als Zustimmung gelten? Wäre es nicht so traurig, wäre es beinah zum Lachen: Dieselben Menschen, die meinen, das Selbstverfügungsrecht von Frauen über ihren Körper gestatte ihnen, selbst ein darin heranwachsendes Kind zu töten, finden scheinbar nichts dabei, hirntoten Patienten auch ohne deren ausdrückliche Erlaubnis lebenswichtige Organe zu entnehmen, um sie in einem anderen Organismus wieder an die Arbeit zu schicken. Absurd auch das: Dieselben Menschen, die dagegen protestieren, dass Menschen mit den Bildern von in Seenot geratenen Flüchtlingen ein schlechtes Gewissen gemacht werde, argumentieren schamlos mit zehntausenden Patienten auf der Warteliste, die ohne ein fremdes Organ dem Tode geweiht sind. Deutschland ist ein weltanschaulich neutraler Staat. Weil das so ist, gilt der Mensch dem Staat als Eigentümer seines Körpers und nicht – wie etwa nach katholischer Lehre – bloß als dessen Verwalter. Und weil der Staat den Menschen als Eigentürmer seines Körpers betrachtet, verbietet er – anders als die katholische Kirche – auch den frei verantworteten Suizid nicht, obgleich viel dafür spricht, dass dieser eine reine Fiktion ist. Dann aber muss der Bürger auch ein Abwehrrecht gegen die Zudringlichkeit des Staates und dessen Interesse an seinen Organen besitzen. Eines, das deshalb auch nicht ausdrücklich erklärt werden muss, um es in Anspruch nehmen zu können.