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Kommentar: Made in China

Einigen sich Forscher nicht auf ein Moratorium, werden sie noch mehr Designerkinder begrüßen müssen. Von Stefan Rehder

Mag es auch tröstlich stimmen, dass viele Wissenschaftler sich beeilten, das Humanexperiment zu verurteilen, dessen sich der Chinese He Jiankui brüstet. Weit schwerer wiegt, dass kaum einer von ihnen Zweifel daran hegt, dass im Reich der Mitte nun die ersten beiden Babys das Licht der Welt erblickt haben, deren Genom von Forscherhand umgeschrieben wurde (Siehe auch Seite 6). Da es bisher keinen Beweise dafür gibt, dass das Team um He auch tatsächlich das Erbgut im Labor erzeugter Embryonen mittels der CRISPR/Cas9-Technologie manipulierte und anschließend in den Uterus ihrer Mutter transferierte, kann das nur eines heißen: Die „scientific community“ hatte ein solches Szenario längst auf dem Zettel. Überrascht wurde sie lediglich vom Zeitpunkt und den näheren Umständen. Und in der Tat: Längst werden die neuartigen Genscheren auch an menschlichen Embryonen erprobt. In China, aber auch in den USA, Großbritannien und Schweden. Zwar wurden bei diesen Experimenten – wie die Forscher beteuern – alle manipulierten Embryonen hinterher vernichtet. Auch wenn Viele meinen, der Ethik sei damit Genüge getan, die Frage „Wozu?“ beantwortet dies nicht. Die Antwort liegt auf der Hand: Doch nur, um die Genscheren irgendwann auch bei Embryonen einzusetzen, die zur Geburt bestimmt sind. Falls He kein Betrüger ist, hielt er diesen Zeitpunkt für gekommen. Seine Begründung – „wenn ich es nicht tue, tut es jemand anderes“ –, rechtfertigt das Experiment nicht, illustriert aber recht treffend den gnadenlosen Konkurrenzkampf um Patente, private und öffentliche Forschungsgelder. Daher ist auch der Vorwurf, He habe die Büchse der Pandora geöffnet, wohlfeil. Im Frühjahr 2015 starteten Wissenschaftler um Edward Lanphier eine Initiative für ein Moratorium des Genom Editings beim Menschen. Noch im selben Jahr bescherte die „scientific community“ ihr beim „1. International Summit on Human Genome Editing“ in Washington ein drittklassiges Begräbnis. Zur Stunde tagt der Zweite in Hongkong. Einigen sich die Forscher hier nicht auf ein Moratorium, werden sie noch mehr Designerkinder begrüßen müssen.

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