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Kommentar: In Österreich droht Schwarz-Grün

Der ÖVP-Vorsitzende Sebastian Kurz startet Koalitionsverhandlungen mit den Grünen: Frustration ist vorprogrammiert.
Koalitionsverhandlungen in Österreich
Foto: Georg Hochmuth (APA) | Seit Montagvormittag ist klar: Sowohl die Grünen als auch die ÖVP sind - „einstimmig“, wie auf beiden Seiten versichert wird – bereit, mit echten Koalitionsverhandlungen zu beginnen.

Sebastian Kurz ist nicht zu beneiden. Er hat seiner ÖVP bei der Wahl am 29. September einen fulminanten Wahlsieg beschert – allerdings nicht fulminant genug, um alleine regieren zu können, und viel zu fulminant, um die meisten anderen Parteien nicht zu frustrieren. Deshalb zogen sich FPÖ, SPÖ und NEOS frühzeitig aus den sogenannten „Sondierungsgesprächen“ zurück. Nur die Grünen blieben standhaft bis zuletzt und sondierten erfolgreich bis Freitag mit der ÖVP.

Kurz wurde nicht für schwarz-grüne Politik gewählt

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Seit Montagvormittag ist klar: Sowohl die Grünen als auch die ÖVP sind - „einstimmig“, wie auf beiden Seiten versichert wird – bereit, mit echten Koalitionsverhandlungen zu beginnen. Und auch darum ist Sebastian Kurz nicht zu beneiden: Gewählt wurde er nämlich nicht für eine schwarz-grüne Politik, die für seine wie für die grünen Wähler vor dem 29. September undenkbar war. Gewählt wurde Kurz für die Politik, die er als Bundeskanzler einer ÖVP/FPÖ-Koalition prägte und bestimmte. Wenn nun Schwarz-Grün kommt, ist die Frustration eines Gutteils der schwarzen wie der grünen Wählerschaft vorprogrammiert.

Weil Kurz das weiß, hat er am Montag zweierlei betont: Erstens, wie sehr er bedauert, dass FPÖ-Chef Norbert Hofer die Rolle seiner Partei in der Opposition sieht. Und zweitens, dass die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen „ein ergebnisoffener Anfang eines durchaus herausfordernden Prozesses“ sind. Die Botschaft an die ÖVP-Wähler lautet: Hofer ist schuld, dass die erfolgreiche ÖVP/FPÖ-Regierung nicht fortgesetzt wird. Jetzt gilt es, die grüne Kröte zu schlucken. Das kann aber auch noch schiefgehen, etwa wenn die FPÖ doch noch Tritt fasst.

Familien- und Gesellschaftspolitik wurden nicht erwähnt

Auch inhaltlich muss Kurz nun taktieren. Er hat sicherheitshalber öffentlich festgeschrieben, wo die Frustrationsgrenzen seiner wie der grünen Partei liegen. Die Grünen, so erklärte Kurz, seien für ihre „klaren Positionen im Umwelt- und Klimaschutz“ gewählt worden, die ÖVP für ihre Migrations- und Sicherheitspolitik sowie für ihre Wirtschafts- und Standortpolitik. Fazit: Die ÖVP muss bei der Umwelt- und Klimapolitik den Grünen einen Punktsieg lassen, die Grünen umgekehrt der ÖVP bei der restriktiven Migrationspolitik sowie bei Wirtschaft und Steuern.

Wohl gemerkt: Familien- und Gesellschaftspolitik wurden hier nicht einmal erwähnt. Klar ist: Den Familienbonus, den ÖVP und FPÖ durchsetzten, hätte ÖVP-Chef Kurz mit den Grünen niemals gestemmt. Klar ist auch: In heiklen gesellschaftspolitischen Fragen wird sich unter Schwarz-Grün bestenfalls gar nichts ändern. Beim Lebensschutz, bei Homosexuellen-„Rechten“ und „Diversität“ werden die Grünen keinen Millimeter nachgeben. Zumindest christlich motivierte Kurz-Wähler müssen sich auf weitere Frustrationen einstellen.

Eine ausführliche Analyse zu den Koalitionsverhandlungen in Österreich finden Sie in der nächsten Ausgabe der Tagespost.

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Stephan Baier Freiheitliche Partei Österreichs Klimapolitik Klimaschutz Norbert Hofer SPÖ Sebastian Kurz Wahlsiege Österreichische Volkspartei

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