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Kirchenobere zu Syrien: „Wir sind in großer Sorge“

Gleich drei Kirchenobere haben sich in einem Appell zusammengetan, um auf das Leid der Christen in Syrien hinzuweisen. Syrien sei ein „Land in Gefangenschaft“. Auch Hilfsorganisationen warnten angesichts der prekären Lage.
Angriffe im Norden Syriens
Foto: Anas Alkharboutli (dpa) | Ein Mann untersucht die Schäden am al-Shifaa-Krankenhaus, nachdem es Berichten zufolge zusammen mit benachbarten Wohngebieten von einem Raketenangriff der syrischen Regierung getroffen wurde.

Mehrere Kirchenobere haben sich in einem Appell an die Politik gewandt, um auf die Situation der Christen in Syrien aufmerksam zu machen. Erzbischof Philoxenus Mattias Nayis (Erzdiözese der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien in Deutschland), Metropolit Isaak Barakat (Orthodoxe Kirche von Antiochien in Deutschland und Mitteleuropa) und Bischof Serovpé Isakhanyan (Primas der Armenisch-Apostolischen Orthodoxen Kirche in Deutschland) beginnen ihren Aufruf mit den Worten: „Wir sind in großer Sorge“.

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Große Probleme bei Ernährung und Versorgung

Seit zehn Jahren befände sich Syrien im Krieg, so die Initiatoren. Das Land sei mittlerweile in mehrere Einflusssphären aufgeteilt, um die hart gekämpft würde. „Die Gegner lauern ständig, unterstützt von regionalen und überregionalen Mächten, eine günstige Gelegenheit zu finden, um die andere Seite angreifen und so ihren Einflussbereich erweitern zu können. Syrien war ein Land, das über ein gutes Bildungssystem, gute medizinische Versorgung und eine Infrastruktur verfügte, die ausbaufähig war.“ All dies sei fast in allen Teilen Syriens zerstört worden; das, was bisher verschont blieb, sei dagegen dem „Verfall preisgegeben“.

Neuerlich wiesen die Unterzeichner auf die großen Probleme bei der Ernährung und Versorgung hin. Familien könnten es sich nicht mehr leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken, die „galoppierende Inflation“ brauche jegliche Ersparnisse auf.

Die Bischöfe bezeichnen Syrien als „Land in Gefangenschaft“. Auf der einen Seite stünde „ein Regime, unterstützt von Russland, Iran und den schiitischen Milizen“, auf der anderen „stark konservativ muslimische bis radikal-islamistische Gruppen, die durch die Türkei, aber auch durch andere muslimische Kräfte unterstützt werden, die die Herrschaft in Syrien an sich reißen möchten“, während die Kurden im Nordosten um ihre Autonomie kämpften, die „von der Zentralregierung zwar abgelehnt, aber zurzeit geduldet wird und von allen Nachbarstaaten bekämpft wird“. All dies ließe die Menschen verzagen. „Sie finden keine Hoffnung, dass die Dinge sich zum Besseren wenden. Millionenfach mussten sie fliehen, jeder zweite Syrer ist inzwischen ein Geflüchteter.“

Christen besonders betroffen

Der Appell betonte Syriens besondere Rolle als „Wiege der Zivilisation“ mit jahrtausendealter Geschichte sowie seine multi-ethnische und multi-religiöse Identität. Nicht nur kulturelle Güter, sondern auch diese Identität sei in Gefahr. „Durch die kriegerische Auseinandersetzung hat in vielen Teilen Syriens die Bevölkerungsstruktur einen tiefgreifenden Wandel erlitten. Besonders betroffen sind die Christen. In den Kampfgebieten haben Islamisten ihre Kirchen und Einrichtungen zerstört. Auch von ihren Häusern oder Wohnungen ist nicht viel übriggeblieben, so dass eine Rückkehr nahezu unmöglich erscheint. Es fehlt das nötige Geld um den Wiederaufbau oder die Instandsetzung in Angriff nehmen zu können.“

Es gebe immer noch Christen in vielen Orten, doch der Leidensdruck, dem diese ausgesetzt seien, sei „sehr groß“. Die Abwanderung in den Westen berge die Gefahr einer zunehmenden Radikalisierung. „Das Verschwinden dieser gesellschaftlichen Vielfalt aus dem Land und dem Nahen Osten insgesamt hat verheerende Folgen, nicht nur für die verbleibenden Christen im Orient, sondern für die Stabilität der gesamten Region.“ Aufgrund der grassierenden Armut könnten die Kirchen kaum noch Unterstützung leisten. „Darum appellieren wir an die politisch Verantwortlichen, die Lage ernst zu nehmen und einen Weg zu finden, wie man die Christen in Syrien unterstützen kann, und zwar nicht, weil sie Christen sind, sondern weil ihr Verbleib in dieser Region von großer Bedeutung ist. Mit militärischem Engagement allein sind in dieser Region der radikale Islam und totalitäre politische Strukturen nicht zu überwinden.“ Die Bischöfe unterstrichen, dass dies nicht nur für Syrien, sondern auch den Irak und den Libanon gelte.

Auch Biden und Putin sprachen über Syrien

Der Appell der Kirchenoberen, der bereits am 9. Juni veröffentlicht wurde, fällt mit dem Gipfeltreffen von US-Präsident Joe Biden und dessen russischen Amtskollegen Wladimir Putin zusammen. Bei den Gesprächen spielte auch Syrien eine Rolle. Aus denselben Gründen hatten auch Hilfsorganisationen einen Brief an die beiden Staatsoberhäupter verfasst, um an deren Zusammenarbeit zur Linderung der syrischen Krise zu appellieren. Federführend waren dabei Caroline Cox vom Humanitarian Aid Relief Trust (HART) und John Eibner, Präsident von Christian Solidarity International (CSI). Die humanitäre Katastrophe in Syrien, so Cox und Eibner, „war noch nie so alarmierend wie heute. Obwohl die Gewalt in Syrien in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist, gibt es dort heute mehr Menschen als je zuvor, die hungern und verarmt sind und denen es an lebenswichtigen Gütern fehlt.“

Eibner und Cox verwiesen darauf, dass beide Präsidenten in der Lage seien, die Not der Syrer erheblich zu lindern. So müssten die Russen wieder UN-Hilfskonvois zulassen. Biden könne hingegen „die drakonischen Sanktionen, die die Vereinigten Staaten gegen Syrien verhängt haben, aufheben, aussetzen oder stark abschwächen und seinen europäischen Partnern empfehlen, dasselbe zu tun.“ Eibner und Cox forderten Biden und Putin auf, alle Stimmen zu ignorieren, die sie zu überzeugen versuchen, nicht zum Wohle des syrischen Volkes zu kooperieren. „Die Syrer dürfen nicht als Tauschobjekt der Großmächte behandelt werden.“  DT/mga

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