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Katholiken in Belarus: Es gibt Vermittler und Störenfriede

Auch die Katholiken bleiben vom schwelenden Konflikt in Belarus nicht unberührt. Während die Kirche zum Gebet und Vermittlung aufruft, gründen Laien eine Internetinitiative.
Nach der Präsidentenwahl in Belarus
Foto: - (Ukrinform) | Mit der Eskalation nach den Präsidentschaftswahlen rückt auch die Katholische Kirche in Weißrussland als zweitgrößte religiöse Organisation in den Blickpunkt des Geschehens.

„Die Kirche ist sehr vorsichtig, sie positioniert sich nicht politisch, das ist zu gefährlich. Die Kirche hat sich mit dem Status quo arrangiert, so kann sie halbwegs gut leben.“ Angelika Schmähling vom katholischen Hilfswerk Renovabis zeichnet in einem Domradio-Interview so die Lage der katholischen Kirche in Belarus. Doch mit der Eskalation nach den Präsidentschaftswahlen rückt auch die Kirche als zweitgrößte religiöse Organisation in den Blickpunkt des Geschehens. Die Proteste ebben auch am vierten Tag nach der Wahl nicht ab. Dem seit 26 Jahren regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko wird massiver Wahlbetrug vorgeworfen. Das Land gilt als abgeschottet, Belarus trägt den zweifelhaften Namen einer „letzten Diktatur Europas“. Mittlerweile sind zwei Todesopfer und hunderte Verletzte zu beklagen, bis zu 6.000 Festnahmen sollen im Zuge der Demonstrationen erfolgt sein. Davon kann auch die Una Sancta nicht unberührt bleiben.

Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche belastet

Während die Orthodoxe Kirche in Belarus aufgrund ihrer historischen Rolle eine privilegierte Stellung im Bildungs- und Gesundheitsbereich genießt, ist das Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche belastet. So bezeichnete sie noch 2017 die Oktoberrevolution als „existenzielles Desaster“, das immenses Leid über Belarus gebracht hätte. Das war ein direkter Angriff auf die Staatsidee Lukaschenkos, der immer wieder damit angab, als einziger im belarusischen Obersten Sowjet gegen die Loslösung von der Sowjetunion gestimmt zu haben. Der Tag der Oktoberrevolution ist bis heute Nationalfeiertag.

Die Administration gängelt im Gegenzug immer wieder die katholische Minderheit – so etwa im Fall der „Roten Kirche“ von Minsk, die nach dem Ende des Kommunismus wieder für katholische Messen geöffnet worden ist, deren Pfarrgemeinde aber erst kürzlich mit einer willkürlichen Forderung von 55.000 Euro konfrontiert wurde. Vertreter der Führungsriege sehen in katholischen Priestern aus Polen eingeschleuste Störenfriede des Westens. Andererseits war der Vatikan in der Vergangenheit einer der wenigen Ansprechpartner für das isolierte Land.

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Nur 7 Prozent katholisch

Die Größe der katholischen Minderheit wird unterschiedlich eingeschätzt. Die katholische Kirche in Belarus gab noch 2009 den Anteil der Katholiken an der Gesamtbevölkerung mit 15 Prozent an. Die US-Regierung geht dagegen davon aus, dass nur 7 Prozent der rund 9,5 Millionen Belarusen der katholischen Konfession anhängen. Am stärksten sind die Katholiken in der westlichen Region Grodno vertreten, wo sie rund ein Drittel der Einwohner ausmachen. Die gleichnamige Provinzhauptstadt war lange Zeit ein Zentrum der Polnisch-Litauischen Union (1569-1795). Bis heute gelten die Polen in Belarus als wichtige Träger des Katholizismus: der gegenwärtige Erzbischof von Minsk-Mahiljou, Tadeusz Kondrusiewicz, entstammt einer polnischen Familie. Als Vorsitzender der belarusischen Bischofskonferenz versucht er eine Vermittlerrolle einzunehmen.

„Im Namen des Gottes der grenzenlosen Gnade, Liebe und Friedens rufe ich alle Parteien dieses Konflikts dazu auf, die Gewalt zu beenden“, schreibt der Erzbischof am 11. August. „Mögen eure Hände, geschaffen für friedliche Arbeit und brüderliche Grüße, weder Waffen noch Steine heben.“ Das Land erlebe bisher ungekannte Spannungen. „Zum ersten Mal in der Geschichte Weißrusslands hat ein Bruder gegen seinen Bruder die Hand erhoben.“ Es scheine – so Erzbischof Kondrusiewicz weiter – dass eine Nation mit einer christlichen Geschichte von über 1.000 Jahren die Liebe gegenüber dem Nächsten vergessen habe. „Ich schlage vor, sofort einen runden Tisch einzurichten, um dort die Zukunft unseres Vaterlandes zu entscheiden, und nicht auf den Barrikaden.“ Er beendete sein Schreiben mit einem Appell zum gemeinsamen Gebet für Frieden und Harmonie im Land.

Bischofskonferenz warnt vor Eskalation

Bereits am Vortag hatte Pater Yuri Sanko, der Sprecher der Bischofskonferenz, vor einer Eskalation gewarnt. „Die beiden Seiten müssen miteinander sprechen, wenn sich diese gefährliche Situation nicht verschlimmern soll.“ Zugleich betonte er, dass die Kirche sich zwar um eine friedliche Beilegung bemühen, sich aber nicht politisch einmischen werde. „Auch wenn es ist nicht unsere Sache ist, dass wir sagen, wie diese Spannung abzumildern sei, so appellieren wir dafür, jedes einzelne Wort genau abzuwägen, um zu verhindern, dass es schlimmer wird.“ Sanko sagte, dass ihm keine Informationen von beschädigten katholischen Gebäuden oder katholischen Verletzten vorlägen. Dennoch sei die Situation weit davon entfernt, friedlich zu sein und es „schwer vorstellbar“, dass die Proteste abklängen, wenn die Minsker Innenstadt weiter abgeriegelt bleibe.

Während es die Kirche bei diplomatischen Appellen und Aufrufen zum Gebet und Rosenkranz belässt, haben katholische Laien eine private Initiative im Internet gestartet.  Sie läuft unter dem Titel: „Wahlfälschung: Eine schwere Sünde“. Bereits zuvor hatte hatten sich die Laien an die Wahlleitung gewendet und eine „gerechte und ehrliche Wahlstimmenzählung“ gefordert. Pater Sanko unterstrich, dass es sich um eine private Aktion von Gläubigen handelte, die man nicht verbieten könnte. Sie hätten ein Recht darauf, gemäß der kirchlichen Soziallehre zum Nutzen ihrer Mitbürger zu handeln.

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