Man redet wieder miteinander. Das ist besser als die denkbaren Alternativen. Insofern ist der Besuch des deutschen Außenministers Heiko Maas am Montag in Ankara zu begrüßen. Dass er und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu sich mit „Lieber Heiko“ und „Lieber Mevlüt“ ansprachen, dass beide reichlich diplomatische Leerformeln absonderten, all das wiegt, was Diplomatie nun einmal auf die Waage bringt.
Bilaterale Eskalation
Aus der bilateralen Eskalation zwischen Ankara und Athen um die Militärpräsenz in der Ägäis und die Ausbeutung der Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer war eine überaus ernste Konfrontation zwischen der Türkei und der Europäischen Union geworden. Die EU hat bewiesen, dass sie zusammensteht, sich von türkischer Rhetorik nicht spalten und Griechenland nicht alleine lässt. Das ist gut so und hat Erdogan zum Einlenken gezwungen.
EU hat Gewicht
Bewiesen hat die Konfrontation, dass die EU als Wirtschaftsmacht außenpolitisches Gewicht hat, wenn sie nur einig und konsequent bleibt. Aber auch, dass die Türkei mehr auf die EU angewiesen ist als umgekehrt. Bei aller rhetorischer Kraftmeierei hat der türkische Staatspräsident eingelenkt, weil seinem Land bei einer Inflationsrate von knapp 15 Prozent das Wasser wirtschaftlich bis zum Hals steht.
Eine belastbare Nachbarschaft
Jetzt gilt es – vor allem in Berlin und Brüssel – nicht in alte Illusionen zurückzufallen. An eine Wiederbelebung des türkischen EU-Beitrittsprozesses ist gar nicht zu denken. Politisch, rechtsstaatlich und in ihrem Selbstverständnis ist die Türkei Lichtjahre davon entfernt, sich der EU anzunähern. Heute mehr denn je. Eine belastbare Nachbarschaft, in der Meinungsverschiedenheiten und Konflikte friedlich ausgetragen werden, ist im türkisch-europäischen Verhältnis ein hohes, hoffentlich auch realistisches Ziel. Mehr nicht.
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