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Frankreich: Warum ein Tweet von Évian zum Politikum wurde

Ein Tweet der Wassermarke Évian sei Muslimen zufolge „islamophob“ und „rassistisch“. Französische Medien kritisieren die darauffolgende Entschuldigung des Unternehmens als „Unterwerfung unter den Islam“.
Diskussion um Tweet am Ramadan
Foto: Arne Dedert (dpa) | Die Auseinandersetzung um den Évian-Tweet zeige, so heißt es im Figaro, wie sehr Frankreich durch einen islamistischen Entrismus bedroht sei, „der nahezu alle überlieferten Werte unserer Kultur in Abrede stellt.

Der Journalist Mathieu Slama übt in der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ Kritik an der Entschuldigung des Mineralwasser-Produzenten Évian gegenüber Nutzern, die nach einem Tweet der Firma einen Sturm der Entrüstung auf den sozialen Netzwerken lostraten. Évian hatte getwittert: „Verbreiten Sie dies weiter, wenn Sie heute schon 1 Liter Évian getrunken haben!“ Diese Aussage wurde von muslimischen Nutzern als Angriff auf den Ramadan empfunden, der am selben Tag begonnen hatte. Nach einer Welle der Empörung entschuldigte sich Évian sogleich: „Das Missgeschick dieses Tweets, der keinerlei Provokation darstellt, tut uns leid“.

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Immer stärkerer Druck von Minderheiten

Die Auseinandersetzung, aber auch die Art und Weise, mit der Évian reagiert hat, sage so einiges über den „Zustand unserer öffentlichen Debatte“ und über „unser kollektives Scheitern angesichts der Religiosität und des Entrismus der muslimischen Religion“ aus, meint Slama. 

Zunächst würden die Firmenmarken ebenso wie die Politiker nunmehr einem immer stärkeren Druck seitens der Minderheiten unterworfen sein und infolgedessen ihre Kommunikation anpassen. Wenn sie sich entschuldigten, glaubten all diese Marken, Politik zu machen, „obwohl sie sich doch in Wirklichkeit der Marktlogik unterwerfen, die darin besteht, kommunitaristischen Empfindlichkeiten zu schmeicheln, um ihr Unternehmen zu schützen“. Denn ein Streit über kommunitaristische Themen könne sich finanziell stark auswirken: „Daher wollen sich die Marken als progressiv und ‚woke‘ erweisen, auch wenn dies dazu führt, Ideen zu verteidigen, die von einem demokratischen Gesichtspunkt aus gefährlich sind. Évian hat sich entschuldigt, weil man angesichts einer möglichen Boykottaktion durch Muslime Angst bekommen hat“.

Außerdem zeige uns diese Auseinandersetzung, heißt es im Figaro, wie sehr Frankreich durch einen islamistischen Entrismus bedroht sei, „der nahezu alle überlieferten Werte unserer Kultur in Abrede stellt. Im Namen des einer Religion geschuldeten Respektes müssten wir auf bestimmte Freiheiten verzichten. Im Namen dieses Respektes müssten wir Grenzen der Freiheit akzeptieren, müssten wir bestimmten Empfindlichkeiten gerecht werden“. Denn Évian sei ja beschuldigt worden, „es an Rücksicht für eine Gemeinschaft fehlen gelassen und praktisch eine Blasphemie begangen zu haben, indem man die große Bedeutung des Ramadan für die praktizierenden Muslime missachtet“ habe. Anders ausgedrückt bedeute dies, „von Évian – und von anderen Marken oder Institutionen – zu fordern, bei ihren Mitteilungen die religiösen Besonderheiten einer Gemeinschaft zu berücksichtigen. Wie sollte man in einer solchen Anweisung nicht eine extrem gefährliche Schräglage für unsere Demokratie erkennen?“ Daher dürfe Frankreich „auf keinen Fall den Forderungen dieser neuen Puritaner nachgeben“.

Entschuldigung aus Angst vor Boykottaufrufen

Darüber hinaus erkenne man an dieser Auseinandersetzung aber auch „den in Frankreich zunehmenden Anstieg eines angelsächsischen Konzepts von der Meinungsfreiheit, bei der diese an die Berücksichtigung dieser oder jener Minderheit geknüpft ist. Das bezeichnet man als ‚Cancel Culture‘ oder Löschkultur, die das Verbot jeglicher Äußerungen voraussetzt, die eine Gemeinschaft oder eine Minderheit beleidigen könnten“. Évian habe einen Entschuldigungstweet „aus Angst vor Boykottaufrufen“ gepostet, und weil die Firma „ihrem verantwortungsvollen und progressiven Unternehmensbild“ nicht schaden gewollt habe. Doch diese „Cancel Culture“, so Slama weiter, „dieses Produkt einer angelsächsischen puritanischen und intoleranten Kultur, zerstört Karrieren und Unternehmen, je mehr sie an Einfluss gewinnt. Man darf dieser neuen Intoleranz nicht nachgeben und muss heute mehr denn je die Werte, auf denen unsere Gesellschaft beruht, proaktiv verteidigen“.  DT/ks

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