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Ex-SPD-Abgeordneter: Enttäuscht von "klischeehafter Darstellung" katholischer Sexualmoral

Robert Antretter ist Katholik und Sozialdemokrat. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete ist froh, dass die SPD den Liminski-Clip nicht zeigen will, schaut aber mit Sorge auf die Haltung, die sich im Spot zeigt.
Nathanael Liminski
Foto: Christoph Soeder (dpa) | „Die Macher des Werbespots bedienen sich des fraglichen Mittels der undifferenzierten Verallgemeinerung. Damit sind sie leider über das Ziel hinausgeschossen", so die Einschätzung Robert Antretters.

Robert Antretter gehört zu einer Gruppe, die öffentlich kaum wahrgenommen wird: Der ehemalige Bundestagsabgeordnete ist Katholik und Sozialdemokrat. Und in seiner politischen Karriere hat der 81-Jährige immer versucht, im gewissen Sinne quer zur öffentlichen Wahrnehmung beide Prägungen zusammenzubringen. So hat er in seiner Zeit im Parlament von 1980 bis 1998 sich in Fragen des Lebensschutzes zu Wort gemeldet, auch dann wenn er damit gegen die Linie seiner Fraktion stand.

Befremdlich, sich antireligiöser Klischees zu bedienen

In seiner grundsätzlichen Loyalität gegenüber sozialdemokratischen Grundwerten und seiner Partei änderte dies jedoch nichts. Kein Wunder also, dass Antretter, der auch immer wieder beim „Marsch für das Leben“ aufgetreten ist und viele Jahre Vorsitzender der Bundesvereinigung Lebenshilfe war, eine dezidierte Meinung zu dem SPD-Wahlwerbespot hat, in dem der Laschet-Vertraute und NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski wegen seines katholischen Glaubens angegangen wird.

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„Wahlwerbespots dienen dazu, die eigenen Parteiprogramme prägnant auf den Punkt zu bringen und diese einprägsam zu vermitteln. Dazu sind Zuspitzungen und Abgrenzungen üblich und werden mehr oder weniger von allen Parteien eingesetzt. Sich aber anti-religiöser Klischees zu bedienen, ist befremdlich und kommt vor allem mit Blick auf die deutsche Geschichte einem Tabubruch gleich. Wohin parteipolitisch motivierte Intoleranz gegenüber Religionen führen kann, dafür gibt es in der Vergangenheit tragische Beispiele“, sagt Antretter dazu gegenüber dieser Zeitung.

„Die Macher des Werbespots bedienen sich des fraglichen Mittels der undifferenzierten Verallgemeinerung. Damit sind sie leider über das Ziel hinausgeschossen. Die katholische Sexualethik mag vielleicht vor allem für junge Menschen als überholt gelten; allerdings halte ich die Diskussion über einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Partner oder der Partnerin und auch mit der eigenen Sexualität nach wie vor für zeitgemäß, weil sie die Würde der und des Einzelnen gerecht wird. Dass sich der Spot einer undifferenzierten, klischeehaften Darstellung der katholischen Sexualmoral bedient, enttäuscht mich. Oder anders herum gedacht: Welcher Sturm an Kritik würde sich entfachen, wenn eine der großen Parteien harsche Kritik an der Genderpolitik der SPD äußern würde?“, erläutert er weiter.

Wahlprogramme anhand christlicher Grundwerte prüfen

Und was heißt das für ihn für die Zukunft des Verhältnisses zwischen SPD und katholischer Kirche? „Als Katholik und Sozialdemokrat weiß ich, dass es Zeiten gab, in denen sich meine Kirche und meine Partei nicht immer leicht miteinander getan haben. Doch auch hier hat sich in den vergangenen Jahren einiges geändert. Ich bin den beiden großen Konfessionen sehr dankbar, dass sie in ihren Wahlaufrufen nicht eine Partei präferieren, sondern die Wählerinnen und Wähler auffordern, die Wahlprogramme anhand der christlichen Grundwerte zu prüfen und als Maßstab Prinzipien wie zum Beispiel die katholischen Soziallehre beziehungsweise die evangelischen Sozialethik heranzuziehen.“ Vor zwei Tagen hat Olaf Scholz angekündigt, dass der Clip nicht öffentlich gezeigt werden solle. „Dafür bin ich ihm dankbar“, so Antretter abschließend.

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