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Europas Zukunft nicht ins Meer werfen

Erzbischof Jean-Claude Hollerich lobt Fortschritte für eine Übergangsregelung zum Umgang mit von aus Seenot geretteten Migranten. Die Gemeinschaft Sant’Egidio sieht diese auch als Teil einer positiven Entwicklung.
Border Force
Foto: Gareth Fuller (PA Wire) | Dover: Die "Border Force" bringt eine kleine Gruppe Migranten nach einer Reihe von Schiffsunglücken im Ärmelkanal an Land.

Der Präsident der EU-Bischofskommission COMECE, Erzbischof Jean-Claude Hollerich, hat Fortschritte für eine Übergangsregelung zum Umgang mit von aus Seenot geretteten Migranten gelobt. „Ich habe mich gefreut, weil die Situation auf den Schiffen unmöglich ist“, so Hollerich gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Mehr Einsatz für Migranten in Libyen gefordert

Die derzeitige Lage gehe gegen die Menschenrechte, so der Erzbischof. Am Wochenende hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mitgeteilt, dass Deutschland ein Viertel der aus Seenot geretteten Migranten aufnehmen wolle, die vor Italien ankommen. Zudem forderte Hollerich von den EU-Staaten mehr Einsatz für die Flüchtlinge und Migranten in den Lagern in Libyen. „Andauernde Vergewaltigungen, kein Trinkwasser, kein Wasser zum Waschen, Hautkrankheiten, Folter, Aufseher mit Maschinengewehren: Das geht nicht an der Pforte Europas“, so Hollerich.

"Protecting our European Way of Life"

Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will das Migrationsressort „Schützen, was Europa ausmacht“ (Protecting our European Way of Life) nennen. „Wenn 'Protecting our European Way of Life' heißt, dass wir Flüchtlinge und Migranten aufnehmen, bin ich ganz einverstanden“, so Erzbischof Hollerich. „Wenn es aber bedeutet, die Festung Europa abzuschotten, dann kann ich nicht einverstanden sein“. Am 23. September wollen die Innenminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Maltas und Finnlands auf Malta über einen provisorischen Verteilungsmechanismus für im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge und Migranten beraten.

Sant’Egidio: Auf Fakten gründete Sichtweise nötig

Migration war auch Thema bei einem Treffen der Gemeinschaft Sant’Egidio in Madrid. Dort formulierte Daniela Pompei, Verantwortliche des Dienstes an den Migranten der Gemeinschaft, ganz ähnliche Ansichten, ging aber noch einen Schritt weiter. Europa sei dabei „seine Zukunft ins Meer zu werfen“, wenn nicht eine Sichtweise eingenommen werde, „die auf Fakten gründet und nicht auf den Ängsten vor den Migrations-Phänomenen“, so  Pompei.

Ängste überwinden, Mauern einreißen, Gesetze verändern

Die Anwesenheit vieler Jugendlicher unter den Migranten könne „nicht nur als ein Problem angesehen werden, sondern bewirkt viele positive Entwicklungen“. Paradox sei, so Pompei, „dass das epochale Phänomen der Migration noch immer mit einer anachronistischen Waffe angegangen wird, die sich als unwirksam erwiesen hat, nämlich den Mauern“. Am Ende des zweiten Weltkrieges gab es fünf Mauern zwischen Ländern, 2016 waren es 72. Hingegen sei jetzt „der richtige Moment für Europa, um seine Ängste zu überwinden, Gesetze zu verändern und neue zu verabschieden.“

Humanitäre Korridore gegen Schlepper und Menschenhändler

Dies sei, erinnert Pompei, in diesen letzten drei Jahren schon mit der Öffnung der Humanitären Korridore durch Italien, Frankreich, Belgien und Andorra geschehen. „Bereits 2.666 Personen sind so auf sicherem Weg angekommen, sie wurden den Schleppern und Menschenhändlern entzogen und mussten nicht die todbringende Reise über das Meer auf sich nehmen. Wir dürfen keine Angst davor haben, die Menschen aufzunehmen. Jetzt ist der Zeitpunkt, um in die Integration zu investieren“, so Pompei.

DT/jobo/KNA

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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