Der Theologe und Religionswissenschaftler Massimo Faggioli übt deutliche Kritik am Umgang der US-Bischofskonferenz mit dem neuen Präsidenten Joe Biden. Gegenüber der Tagespost erklärt er, die amerikanischen Bischöfe, die Biden bislang in mehreren Stellungnahmen je nach Themenfeld gelobt oder kritisiert hatten, müssten „beginnen, als Bischofskonferenz zu arbeiten, und nicht als Zusammenschluss vieler unterschiedlicher Bischofskomitees“.
Bischofskonferenz ohne Bezug zum Vatikan?
Wer auf eine Zusammenarbeit zwischen Biden und den Bischöfen hofft, dem würden die Stellungnahmen einiger Komitees zu den ersten Amtshandlungen des Präsidenten Mut machen, „aber sie spiegeln wohl nicht die Ausrichtung der Führung der US-Bischofskonferenz wider“, so Faggioli, dessen Buch „Joe Biden and Catholicism in the United States“ gerade auf Italienisch und Englisch erschienen ist.
Der US-Bischofskonferenz attestiert Faggioli, der eine Professur für Historische Theologie an der Villanova University in Pennsylvania innehat, in den vergangenen Jahren zunehmend dysfunktional geworden zu sein: Er beobachte „eine schwache Führungsebene, die nicht nur den Bezug zum Vatikan und zur katholischen Kirche in den USA verloren hat, sondern auch zu exakt denjenigen Mitgliedern der Bischofskonferenz, die jetzt die Führungsebene offen kritisieren.“
Eine ernste Krise der Glaubwürdigkeit
Wie sich dies auf das zukünftige Verhältnis zu Joe Biden auswirke, sei eher ein Problem der Kirche, kein Problem der neuen Regierung. „Die Bischöfe befinden sich in einer ernsten Krise der Glaubwürdigkeit, Autorität und Legitimität“, so Faggioli. Natürlich müssten die Bischöfe die katholische Lehre in Streitfragen, insbesondere beim Thema Abtreibung, verteidigen. Das Problem sei aber, wie man das tue. „So wie sich die US-Bischofskonferenz jetzt äußert, klingt das parteipolitisch voreingenommen, und das schadet der Rolle der Kirche, nicht nur in den USA“.
Die Art und Weise, wie einige Bischöfe sich zum Thema Abtreibung äußerten, erinnere ihn eher an den Stil Republikanische Partei als an den der katholischen Kirche. Faggioli wörtlich: „Es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen einer moralischen Argumentation mit Konsequenzen im öffentlichen Raum und einer parteipolitischen Argumentation, die die Kirche nur weiter schwächen kann.“ Gleichzeitig räumt der Religionshistoriker ein: Auch die Bischöfe seien von der weit verbreiteten Wut gegen das Establishment nicht verschont worden – eine Wut, für die der moralische Diskurs der Kirche so gut wie gar keine Bedeutung habe. Indem die Bischöfe aber weiterhin Abtreibung als „das alles entscheidende Thema“ betrachteten, würden sie „vor der Realität fliehen“.
Nicht interessiert, die Lehre der Kirche in Frage zu stellen
Auf die Frage, ob es dem Katholik Joe Biden gelingen werde, auch konservative Glaubensgeschwister anzusprechen, meint Faggioli, dass ihm der Brückenschlag durchaus gelingen könne. Biden sei nicht daran interessiert, die Lehre der Kirche in Frage zu stellen oder zu ändern. Auch könne er bei Amerikanern Anschluss finden, „die weder zwangsläufig linksliberal noch konservativ sind“, so der Theologe. Jedoch seien die Führungsriegen beider großen Parteien ideologisch geprägt – und mit ihnen zusammen müsse Biden letztendlich regieren. „Man darf nicht vergessen, dass der progressivste und radikalste Flügel sowohl der katholischen Kirche wie auch der Demokratischen Partei Biden als zu moderat betrachtet, auch wenn er sich in den letzten Jahren zumindest in Fragen der Sexualmoral und Genderfragen dem progressivsten Flügel der Demokraten angeschlossen hat“ DT/mlu
Einen ausführlichen Hintergrund über das Verhältnis zwischen dem neuen US-Präsidenten Joe Biden und den amerikanischen Bischöfen lesen Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.