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Donald Tusk kehrt zurück

Die Rückkehr von Donald Tusk in die polnische Politik deutet auf eine Neuauflage „Kaczynski versus Tusk“ hin. Politische Polemik breitet sich aus.
Tusk übernimmt Führung der größten polnischen Oppositionspartei
Foto: Wojciech Olkusnik (PAP) | Nach dem Rücktritt seines Vorgängers Budka, wurde Tusk am 03.07.2021 einstimmig zum Vize-Parteichef gewählt, der kommissarisch auch die Funktion des Vorsitzenden übernimmt.

Die journalistischen Spatzen pfiffen es schon länger von den Dächern, am vergangenen Wochenende bei einem Parteitag der konservativ-liberalen Partei „Bürgerplattform“ (PO) bestätigte es sich: Donald Tusk ist zurück in der polnischen Politik. Der Konvent der Partei wählte den 64-Jährigen zum Parteichef. Zunächst kommissarisch, doch an einer formalen Bestätigung durch die Parteimitglieder zweifelt niemand. Zu alternativlos in den eigenen Reihen wirkt der frühere polnische Premier.

Das Böse in Polen

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Seit Tusk im Jahr 2014 nach Brüssel ging, wo er als Präsident des Europäischen Rates und Vorsitzender der Europäischen Volkspartei eine glänzende internationale Karriere hinlegte, taumelte die Bürgerplattform von einer Wahlniederlage zur nächsten. Zu blass blieben Tusks Nachfolger. Wofür er, da er keinen Nachfolger aufbaute, allerdings eine Mitverantwortung trägt.

Nun soll es der Mann mit dem schelmischen Lächeln und dem hypnotischen Blick noch einmal richten. Die Mission für den Parlamentswahlkampf 2023 ist klar. Tusk brachte sie bei seiner Parteitagsrede auf den Punkt: „Heute regiert das Böse in Polen. Und wenn Du das Böse siehst, kämpfe dagegen und frage nicht nach weiteren Gründen.“

Rhetorik dominiert

Ob diese theologisch-rhetorische Zuspitzung reicht, um die seit 2015 anhaltende national-konservative Herrschaft zu brechen? Zeitgleich mit PO kam in Warschau auch die PiS-Partei zusammen, um den 72-jährigen Jaroslaw Kaczynski im Amt des Vorsitzenden zu bestätigen. Was nach einer Neuauflage des Klassikers „Kaczynski versus Tusk“ klingt. Worauf die Mehrheit der Polen gern verzichten würde. Zuviel persönliche Animositäten spielen bei diesem Streit eine Rolle. Gut zu erkennen in der Passage in Tusks Rede, in welcher er auf die Kirche des Landes zu sprechen kam. Nicht die Frauen, nicht die jungen Leute und auch nicht die Liberalen seien die Feinde dieser Institution, so Tusk in der Manier eines Drachenkämpfers, der seine geliebte Jungfrau von einer bösen Umklammerung befreien will, sondern Kaczynski. Stimmt das? Immerhin gibt es unter polnischen Katholiken viele weltoffene Geister, die um nationalistische oder fundamentalistische Versuchungen von allein einen großen Bogen machen.

Zudem: Ein jüngerer Oppositionspolitiker, der frühere katholische Journalist Szymon Holownia (Polska 2050) hat diese Wählergruppe bereits fest im Visier. Wie Tusk sich zu diesem Politiker bei ethischen Fragen verhalten wird, bleibt abzuwarten. Und dann ist da auch noch der Warschauer Stadtpräsident Rafal Trzaskowski (49), ebenfalls PO, der sich nach einem grandiosen Präsidentschaftswahlkampf 2020 wundert, dass die Partei nicht ihn zum Schlachtross erkoren hat. Tusk wird ihn als internen Konkurrenten angemessen integrieren müssen.

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