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Differenzieren, nicht ausschließen

Beim Ökumenischen Kirchentag sollen AfD-Mitglieder generell als "Mitwirkende" ausgeschlossen werden. Mit dieser Entscheidung widerspricht der ÖKT seinem selbst gesetzten Ziel, dem Dialog.
AfD-Vertreter sollen nicht beim  ÖKT in Frankfurt teilnehmen
Foto: Rolf Vennenbernd (dpa) | Beim ÖKT in Frankfurt sollen AfD- Vertreter nicht teilnehmen. Im Bild: Ein Plakat gegen die Teilnahme der AfD beim Katholikentag vor dem historischen Rathaus in Münster.

Menschenfeindlichkeit - so lautet der Vorwurf der Leitung des Ökumenischen Kirchentages gegenüber allen Mitgliedern der AfD. Wohlgemerkt gegenüber allen, nicht gegenüber  bestimmten parteiinternen Gruppen wie dem aufgelösten "Fügel" und dessen Mitgliedern. Ganz generell werden alle AfD-Mitglieder als Mitwirkende beim ÖKT ausgeschlossen, sie sollen nicht bei Veranstaltungen in prominenter Weise auftreten.  Kirchentage und die AfD - das ist eine alte Geschichte. Aber diese neue Entscheidung gibt dem alten Streitthema noch einmal eine andere Qualität.

Schon in den letzten Jahren war stets breit diskutiert worden, ob  AfD-Vertreter an einem Evangelischen Kirchentag oder einem Katholikentag teilnehmen sollten. Damals ging es freilich immer nur darum, ob bei Podiumsdiskussionen, zu denen auch Vertreter der anderen Bundestagsfraktionen eingeladen waren, eben auch ein AfD-Mann reden dürfe. Schon damals sprach nichts für den Ausschluss der größten Oppositionspartei im Bundestag. Und so saß etwa beim letzten Katholikentag in Münster bei einer Runde aller kirchenpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsabgeordnete Volker Münz, ein Protestant, mit auf dem Podium. Eine Szene, die sich nun nicht wiederholen wird. Dafür wird es vielleicht andere geben: Müssen Vortragende, Seminarleiter oder andere Aktive, nun erst die neue Gretchenfrage beantworten: Wie hältst Du es mit der AfD?

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Der ÖKT als Forum des Austausches

Der ÖKT versteht sich als Forum, als Ort des Austausches und des Dialogs. Die Königsdisziplin des klassischen ÖKT-Besuchers: differenzieren. Ständig und überall wird es in Vorträgen, Diskussionsrunden und anderen "Events" darum gehen, die Kirchen als offen darzustellen, als Orte, an denen jeder, wirklich  jeder willkommen ist. Nur eben offenbar nicht ein AfD-Mitglied. In diesem Fall wird sich zeigen, ob das mit dem differenzieren wirklich ernst gemeint ist oder es doch nur darum geht, eine im Kern ideologische Haltung zeitgeistig zu ummanteln. Wer differenziert denkt, müsste wissen, dass kein Mensch zu 100 Prozent nur AfD-Mitglied ist, sondern auch noch in ganz anderen Bereichen aktiv ist: Vielleicht als Pfarrgemeinderat, als Kolpingbruder oder - oh Schreck - sogar im Einsatz für verfolgte Christen. Warum sollten die alle nicht am ÖKT mitwirken dürfen? Warum dürfen sie auf einen Aspekt ihres Lebens reduziert werden? 

Wohlgemerkt: Es geht ja nicht darum, dass ZdK-Präsident Thomas Sternberg zusammen mit Björn Höcke eine Stelle des Evangeliums auslegen soll. Es würde vollkommen ausreichen, wenn sich die ÖKT-Leitung auf ein Grundprinzip der katholischen Soziallehre besinnt: die Subsidiarität. Wenn überhaupt, dann wissen nur die Menschen vor Ort, in den Gemeinden und anderen kirchlichen Gruppen, ob ein anderer tatsächlich menschenfeindliche Positionen vertritt. Wenn hier niemand auffällig geworden ist, sollte er auch am ÖKT mitwirken dürfen. Ob das freilich nach dieser Aufregung ein AfD-Mitglied überhaupt noch will, das ist eine andere Frage. Sie muss sich die ÖKT-Leitung stellen. .    

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