Alle Französinnen, die nicht älter als 43 Jahre alt sind, besitzen künftig einen Rechtsanspruch auf die Durchführung künstlicher Befruchtungen. Und zwar auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung und mit gleich mehreren Versuchen pro Frau. Das ist der Kern, der von der französischen Nationalversammlung nun beschlossenen Bioethikreform. Bislang standen künstliche Befruchtungen in Frankreich nur heterosexuellen Paaren offen, die seit mindestens zwei Jahren zusammenlebten. Außerdem musste wenigstens einer der Partner den medizinischen Nachweis der eigenen Unfruchtbarkeit erbringen.
Staatliche Krankenkassen bezahlen selbst „Social Freezing“
All das entfällt künftig. Mehr noch: Die Solidargemeinschaft der Beitragszahler und der Steuerzahler, mit deren Beiträgen die chronisch klammen Krankenkassen regelmäßig aufgefüllt werden, sollen künftig auch das „Social Freezing“ bezahlen. So wird das Einfrieren von Eizellen ohne medizinische Indikation genannt. Es soll Frauen ermöglichen, sich ohne Rücksicht auf ihre „biologische Uhr“ ganz auf Beruf und Karriere zu fokussieren. Die Bioethikreform ist eines der zentralen Wahlkampfversprechen von Staatspräsident Macron. Stimmt der Senat ihr zu, womit in Frankreich für den Herbst gerechnet wird, kann dieses als erfüllt betrachtet werden.
Das ist gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert: Zunächst einmal, weil es das Naturrecht auf den Kopf stellt. Aus dem Recht der Kinder auf Eltern machen die Franzosen kurzerhand ein Recht von Erwachsenen auf Kinder.
Kniefall vor dem Utilitarismus
Die Bioethikreform ist jedoch auch ein Kniefall vor dem Utilitarismus. Gemäß dieser Ideologie, die – was für eine Ironie – ausgerechnet aus Großbritannien stammt, ist es die Aufgabe des Staates, das größtmögliche Glück aller oder jedenfalls möglichst vieler seiner Bürger herzustellen. Mit der Bioethikreform macht sich der Staat im Grunde zu einer Wunscherfüllungsagentur der Bürger.
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