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Abdullah: Der König und sein Wächteramt

Jordaniens König Abdullah wird als Wächter der Heiligen Stätten der Christen gesehen. Nun wurde eine Verschwörung aufgedeckt. Wie steht es um das Wächteramt?
Premierminister Madbuli in Jordanien
Foto: - (Royal Hashemite Court RHC) | Abdullah II. bin al-Hussein (r), König von Jordanien, und Mustafa Madbuli, Premierminister von Ägypten, während eines gemeinsamen Treffens.

Jordanien steht wegen einer angeblichen Verschwörung gegen König Abdullah II., in die dessen Halbbruder Prinz Hamsa verwickelt sein soll, im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Dem jordanischen König wird oft eine Art Wächteramt über die Heiligen Stätten der Christen zugeschrieben. Ist diese Charakterisierung aber wirklich zutreffend? Zahlreich sind die Lobpreisungen des jordanischen Königs durch Verantwortliche christlicher Kirchen in dem Teil des Heiligen Landes, der Jordanien und die palästinensischen Autonomiegebiete umfasst.

Jordaniens Rolle beim Schutz der Christen im Heiligen Land

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Da wird die Rolle Jordaniens beim Schutz der christlichen Existenz im Heiligen Land als klar und unbestreitbar beschrieben. Er stehe an der Spitze der Bemühungen aller Jordanier, die Samen der Liebe und Brüderlichkeit zwischen Muslimen und Christen zu säen. Der König sei der Wächter der islamischen und christlichen Heiligen Stätten in Jerusalem, einschließlich des Heiligen Grabes und des griechisch-orthodoxen Patriarchats von Jerusalem. Dieses Wächteramt sei ein Schutzschild und eine Neuauflage der den Christen vom Kalifen Umar ibn al-Chattab anlässlich der Eroberung von Jerusalem im Jahr 638 gegebenen Garantie hinsichtlich ihrer Kirchen und ihres Eigentums. Die Christen hielten diesen Bund mit König Abdullah, bis Gott die Erde erbt. Das alles sind Zitate aus dem Mund des griechisch-orthodoxen Patriarchen Theophilos III. - offiziell Patriarch der Heiligen Stadt Jerusalem und von ganz Palästina und Syrien, der Gebiete jenseits des Jordan sowie von Kana in Galiläa und dem Heiligen Zion, die uns im stark säkularisierten Westen einigermaßen merkwürdig erscheinen mögen.

Ähnlich blumig klingende Zitate anderer kirchlicher Würdenträger lassen sich ohne Mühe finden. Aus dem Friedensvertrag zwischen dem Staat Israel und dem haschemitischen Königreich Jordanien vom 26. Oktober 1994 ergibt sich ein entsprechendes Wächteramt des jordanischen Königs allerdings nur für die "muslimischen Heiligen Stätten in Jerusalem". So heißt es in Artikel 9 des Vertrages über "Orte von historischer und religiöser Bedeutung", "[Abs.1] Jede Partei wird freien Zugang zu Orten von religiöser und historischer Bedeutung gewähren. [Abs.2] In dieser Hinsicht respektiert Israel in Übereinstimmung mit der Washingtoner Erklärung die gegenwärtige besondere Rolle des Haschemitischen Königreichs Jordanien bei den muslimischen Heiligen Stätten in Jerusalem."

Auch die Christen beanspruchten das Wächteramt für sich

Das hat die Christen in der Region gleichwohl nie davon abgehalten, das Wächteramt ganz selbstverständlich auch für die eigene Gruppe in Anspruch zu nehmen. Das lässt sich am ehesten damit erklären, dass sich die christlichen Heiligen Stätten bis zur Eroberung des Westjordanlands und damit auch des Ostteils von Jerusalem durch israelische Truppen während des Sechstagekriegs im Juni 1967 auf jordanischem Territorium und damit unter jordanischem Schutz befanden. König Abdullah und der palästinensische Präsident Mahmud Abbas trafen sich erst am 31. März 2013 zu einem Gespräch, bei dem es um den Schutz der muslimischen und christlichen Heiligen Stätten ging und ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet wurde, dessen Grundlage mündliche Absprachen aus dem Jahr 1924 sein sollen.

Dass das Abkommen von Israel mit Hinweis auf den weiterhin ungeklärten Status von Jerusalem nicht anerkannt wird, scheint die Christen vor Ort zumindest gefühlsmäßig nicht zu beeinträchtigen. In den Medien ist in den letzten Jahrzehnten vorrangig vom Wächteramt des jordanischen Königs für die muslimischen Heiligen Stätten in Jerusalem die Rede gewesen. Vor allem dann, wenn es wieder einmal Streit um den freien Zugang zu ihnen auf dem Tempelberg in Jerusalem gab. Die Fälle, in denen das Wächteramt für die christlichen Heiligen Stätten ins Spiel kamen, mögen unspektakulärer erscheinen - aber sie sind von immenser Bedeutung für den Fortbestand christlicher Präsenz vor Ort. Das gilt für die Restaurierung der Grabeskirche in Jerusalem genauso wie für die lange ungeklärte Frage der Besteuerung kirchlicher Einrichtungen in Jerusalem und anderen Teilen des Westjordanlands unter israelischer Kontrolle.

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Otmar Oehring

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