Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Der Druck auf Ungeimpfte wird erhöht

Von den Beschlüssen der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin werden vor allem die Protestparteien profitieren.
Ministerpräsidentenkonferenz
Foto: Michael Kappeler (dpa-pool) | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht neben Michael Müller (SPD), Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und Regierender Bürgermeister von Berlin sowie dem zugeschalteten Markus Söder (CSU) ...

Wer sich von der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin einen Durchbruch in der Pandemiebekämpfung erwartet hatte, wurde gestern erneut enttäuscht. Statt ein schlüssiges Konzept für den Herbst vorzulegen, haben Merkel, Müller und Söder, den Ungeimpften den Schwarzen Peter für das Fortdauern der Pandemie zugeschoben. Das ist nicht nur völlig unwissenschaftlich, das ist auch respektlos gegenüber dem Souverän.

Testen soll kostenpflichtig werden

Lesen Sie auch:

Es stimmt ja: Eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen, muss Ziel der Politik in der Pandemie sein. Nur darf den Regierenden dafür nicht jedes Mittel recht sein. Vor allem, dass Corona-Tests ab dem 11. Oktober kostenpflichtig sein sollen, macht überhaupt keinen Sinn. Von einem negativ getesteten Bürger geht, weil die Impfstoffe keine „sterile Immunität“ ermöglichen, sogar weniger Gefahr aus, als von einem doppelt geimpften, aber reinfizierten Bürger. Mehr noch, weil die bisher zugelassenen Impfstoffe nur gegen einen schweren Verlauf schützen, nicht aber auch vor einer Ansteckung, sind sie weiterhin im allgemeinen Interesse, was auch rechtfertigt, sie weiterhin gemeinschaftlich zu finanzieren.

Weil die Regierenden die Bürger aber stattdessen in die immens teuren Impfzentren treiben wollen, heißt es nun, die Tests seien nicht aussagekräftig genug. Wenn das stimmt, wieso wurden sie dann bislang akzeptiert? Die Politik darf sich wundern, wenn die Bürger, das Gefühl haben, sie würden von ihnen an der Nase herumgeführt.

Deplatzierte Gutsherrenart

Noch gravierender ist es, wenn der bayerische Ministerpräsident erklärt, Ungeimpfte könnten künftig nicht erwarten, dass ihnen die Recht von Geimpften zuerkannt würden, schließlich gefährdeten sie nicht nur sich, sondern auch andere. Markus Söder kann niemandem Grundrechte zuerkennen. Er kann sie nur anerkennen. Mehr noch. Er muss sie anerkennen. Sein Amt berechtigt ihn im Falle einer Pandemie, vorhandene Grundrechte einzuschränken und etwa eine Maskenpflicht für alle oder Quarantäne für Infizierte anzuordnen. Die pauschale Einschränkung der Rechte Ungeimpfter, unabhängig davon, ob sie für andere ein akutes Infektionsrisiko darstellen oder nicht, steht dem Ministerpräsidenten aber nicht zu. Man darf sicher sein, dass die Gerichte den kongenialen Nachfolger Ludwigs II. – früher oder später – darüber noch belehren werden.

Die Gutsherrenart, mit der der bayerische Ministerpräsident in der Pandemie bislang auftritt, ist nicht nur fehl am Platz. Sie ist auch dumm. Denn sie treibt Verunsicherte in die Arme von Corona-Leugnern, Impfgegnern und Protestparteien. Das kann die Union am Wahlabend teuer zu stehen kommen.

Lesen Sie weitere Beiträge zu den jüngsten Corona-Beschlüssen in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

Themen & Autoren
Stefan Rehder

Weitere Artikel

Im Einsatz in der vierten Welle: Der bayerische Landesgeschäftsführer der Malteser warnt in einem Gastbeitrag davor, dass dem Rettungsdienst angesichts der Corona-Zahlen bald eine ernsthafte ...
30.11.2021, 09 Uhr
Christoph Friedrich

Kirche

Eine Tagung in Stift Heiligenkreuz mit Erzbischof Georg Gänswein und Kardinal Kurt Koch befasste sich mit der Relevanz des Priestertums heute. 
18.04.2024, 13 Uhr
Leander Lott