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„Das sind alles sehr schlaue Leute“

In Fulda sprach der Labormediziner und Lebensrechtler, Professor Paul Cullen, über die Gefahren, die von der Neo-Religion des Transhumanismus ausgehen. Von Stefan Rehder
Digitale Schuppenflechte oder Neuer Mensch?
Foto: reh | Digitale Schuppenflechte oder Neuer Mensch?

Der Vorsitzende der „Ärzte für das Leben“, Professor Paul Cullen, hat eindringlich vor dem Transhumanismus gewarnt. Auf Einladung der „Christdemokraten für das Leben“ (CDL) und der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) sprach Cullen am vergangenen Freitag vor knapp 200 Zuhörern im VHS-Forum im Kanzler-Palais in Fulda. Der Vortrag mit anschließender Diskussion stand unter dem Titel „Mensch 2.0 – Homo Perfectus? Von Retortenbabys, Mischwesen und Cyborgs“.

Transhumanisten strebten danach, die „anthropologischen Grenzen des Menschen“ mit Hilfe der sogenannten GRIN-Technologien „zu überwinden“ und neue, „posthumane Wesen“ zu schaffen, erklärte Cullen. GRIN ist ein aus Anfangsbuchstaben gebildetes Akronym und steht für die Wissenschaftszweige Genetik, Robotik, Informationstechnologie und Nanotechnologie. Im Transhumanismus, den Cullen als eine „Neoreligion“ kennzeichnete, „die sich der Sprache der Wissenschaft bedient“, habe „der Mensch, wie wir ihn kennen, am Ende keinen Platz mehr“. Kurzfristige Ziele des Transhumanismus seien die Verlängerung der Lebenserwartung, die Steigerung menschlicher Intelligenz sowie die Überwindung physischer und psychischer Grenzen. Mittelfristig strebten Transhumanisten nach der Verschmelzung von Mensch und Maschine. Langfristig gehe es um das Erreichen von Unsterblichkeit.

Die Gefahr, die von Transhumanisten ausgehe, beruhe weniger auf den von ihnen anvisierten Zielen, die Cullen als „größtenteils utopisch“ bezeichnete, als vielmehr auf dem Einfluss, den ihre führenden Köpfe besäßen. Ihre Anführer lehrten an bedeutenden Universitäten, leiteten große Forschungsinstitute und Unternehmen und publizierten einflussreiche Bestseller. Unter ihnen seien so bekannte Forscher und Autoren wie der australische Kognitionswissenschaftler Rodney Brooks, Autor des Buches „Menschmaschinen“ und lange Zeit Direktor des Laboratoriums für Künstliche Intelligenz am „Massachusetts Institute of Technology“ (MIT), der Nanotechnologe Eric Drexler, der Computerspezialist Ray Kurzweil, Berater des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, der heute als „Leiter der technischen Entwicklung“ im Vorstand von Google die Strippen ziehe. Auch der österreichische Robotikprofessor Hans Moravec, der Biophysiker Gregory Stock von der University of California müssten zu den Transhumanisten gezählt werden. Gleiches gelte für den Evolutionsbiologen Richard Dawkins („Der Gotteswahn“) und den Soziologen James Hughes („Cyborg Buddha“). Mit der von dem schwedischen Philosophen Nick Bostrom 1998 ins Leben gerufenen „World Transhumanist Association“ (WTA), die später in „Humanity +“ umbenannt worden sei, verfügten die Transhumanisten zudem über eine Dachorganisation, die regelmäßig aufsehenerregende internationale Konferenzen organisiere. „Das sind alles keine Randfiguren in der Wissenschaft, sondern sehr schlaue Leute“, erklärte Cullen.

Im weiteren Verlauf seines Vortrags wandte sich der Labormediziner und Molekularbiologe auch der aktuellen Debatte um Eingriffe in die menschliche Keimbahn zu. Cullen, der einräumte, sich für den Mechanismus der Genscheren und ihre Effizienz („präziser, schneller, preiswerter“) zu begeistern, warnt jedoch eindringlich vor ihrem Einsatz bei Menschen und begründete dies mit der „Janusköpfigkeit der Genetik“. Viele genetische Mutationen hätten sowohl „positive wie negative Auswirkungen“. So senke etwa eine Mutation des Gens APOE2 das Risiko für Morbus Alzheimer, erhöhe jedoch das Risiko für Fettstoffwechselstörungen. Andere Mutationen senkten zwar das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gingen dafür aber mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer einher. Da genetische Veränderungen der Keimbahn an nachfolgende Generationen weitervererbt würden, käme ein Herumbasteln am genetischen Code des Menschen einem „Freilandversuch in der Zeit“ gleich. Cullen: „Wir wissen schlicht nicht, was wir damit anstellen.“

Ausführlich ging Cullen auch auf die Herstellung von Mensch-Tier-Wesen ein. Diese würden vor allem mit dem Ziel erzeugt, in ihnen Organe für die Transplantation beim Menschen heranzuzüchten. In den Mensch-Schwein-Mischembryonen, wie sie etwa der Spanier Juan Carlos Izpisúa Belmonte am Salk Institute für Biological Studies in La Jolla im US-Bundesstaat Kalifornien herstellt, sah Cullen eine schwerwiegende Verletzung der „Gattungswürde“. Die begründete Cullen damit, dass der Menschen als „einziges Lebewesen“ in der Lage sei, „Verantwortung für sich, seine natürlichen, geschichtlichen und kulturellen Lebensgrundlagen zu übernehmen“.

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