Im Vorfeld des am Sonntag stattfindenden Weltgebetstags für die Kirche in China äußern sich zahlreiche Beobachter besorgt zur Situation von Christen im Land und warnen vor zunehmenden Repressalien. Der Präsident des katholischen Hilfswerks Missio München, Wolfgang Huber, erklärte: „Die Tatsache, dass mit dem ersten Tag, an dem die Corona-Maßnahmen gelockert wurden, an einigen Orten wieder Kreuze von Kirchendächern gerissen wurden, ist bezeichnend.“
In den letzten Jahrzehnten habe es noch Grauzonen gegeben, in denen sich religiöses Leben entfalten konnte. Unter Staatspräsident Xi versuche das kommunistische Regime jedoch, „sämtliche Bereiche der Zivilgesellschaft, einschließlich der Religion zu kontrollieren“, warnt Huber, der auch Vorsitzender des China-Zentrums in Sank Augustin bei Bonn ist.
Der Druck auf die Untergrundkirche wächst
Die Sinologin und Chefredakteurin der vom China-Zentrum herausgegebenen Zeitschrift „China heute“, Katharina Wenzel-Teuber, bemängelt laut Missio, dass sich die Situation der katholischen Kirche und der Religionen im Land nicht verbessert habe, seit der Vatikan im September 2018 ein vorläufiges Abkommen über Bischofsernennungen mit China abgeschlossen hat. „Der Druck auf den Klerus der katholischen Untergrundkirche, sich zu registrieren und Erklärungen zur Unabhängigkeit vom Vatikan zu unterzeichnen, wächst.“ Die Bevölkerung werde ermutigt, nichtgenehmigte Zusammenkünfte und Aktivitäten anzuzeigen, zudem würden auch in offiziell registrierten Kirchen immer mehr Überwachungskameras mit Gesichtserkennung angebracht.
Auch der Herausgeber des vatikanischen Pressedienstes „Asianews“, Bernardo Cervellera, hatte sich vor einiger Zeit kritisch zur Lage der Christen in China geäußert. Das Abkommen zwischen dem Vatikan und dem kommunistischen Regime habe die Chancen für die Untergrundkirche zerstört, so Cervellera. Auch er betonte, dass die Kontrolle über alle Aspekte des Lebens der Gläubigen sehr stark sei.
Erzbischof Schick: Lage für Christen nicht spürbar verbessert
Indes riefen auch die deutschen Bischöfe zum Gebet für die Kirche in China auf, verbunden mit Kritik an der chinesischen Religionspolitik: Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), konstatierte, dass sich die Situation für Christen in China seit Abschluss des Abkommens nicht spürbar verbessert habe. „Lediglich zwei Bischöfe sind bisher nach den Regeln der Vereinbarung ernannt worden, wobei allerdings zum ersten Mal die ‚Zustimmung‘ des Papstes öffentlich bekanntgegeben wurde“, so Schick. Zudem deuteten viele Berichte darauf hin, dass die Unterdrückungsmaßnahmen gegen Katholiken in China zunehmen würden.
Was das Abkommen angeht, wies Schick zwar daraufhin, dass der Inhalt der Vereinbarung noch immer geheim sei, kündigte aber an: „Es ist anzunehmen, dass es im September 2020 eine Auswertung des bisher vorläufigen Abkommens geben wird.“
Normalerweise findet jedes Jahr am 24. Mai die traditionelle Wallfahrt zum größten chinesischen Marienheiligtum Sheshan in der Nähe von Shanghai statt. Aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie hatte die Diözese Shanghai die Wallfahrt jedoch bereits Mitte April abgesagt.
DT/mlu
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