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Brexit: Anglikaner-Primas Welby soll Bürgerforum leiten

Während der britische Premier Boris Johnson einen harten Brexit durchsetzen will, versucht Anglikaner-Primas Justin Welby zu vermitteln. Das knüpft er jedoch an Bedingungen.
Brexit: Welby könnte Bürgerforum leiten
Foto: Vudi Xhymshiti (AP) | 28.08.2019, Großbritannien, London: Brexit-Gegner mit EU-Fahnen und einem Schild mit der Aufschrift "Defend Democracy - Resist The Parliament Shutdown" (Verteidigung der Demokratie - Widerstand gegen die Schließung ...

Während der britische Premierminister Boris Johnson immer stärker auf einen Brexit ohne Abkommen am 31. Oktober zusteuert, suchen Gegner des Regierungskurses weiter nach Alternativen. Nun hat sich der anglikanische Primas Justin Welby grundsätzlich bereiterklärt, den Vorsitz eines Bürgerforums zum Brexit zu übernehmen. In einer Stellungnahme, aus der britische Medien wie der „Guardian“ zitieren, gab sich Welby „geehrt“, dass ihn die Initiatoren für die Aufgabe angefragt hätten.

Kein "trojanisches Pferd", um Brexit zu verhindern

Gleichzeitig knüpfte der Erzbischof von Canterbury seine Bereitschaft jedoch an mehrere Bedingungen, die zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht erfüllt seien. Zum einen dürfe das Bürgerform sich nicht als „trojanisches Pferd“ erweisen, mit dem man beabsichtige, den EU-Austritt aufzuschieben oder in irgendeiner Form zu verhindern. „Diese Macht können nur die Regierung und die Abgeordneten im Parlament ausüben.“ Ein überparteiliches Forum müsse ergebnisoffen diskutieren, betonte Welby.

Darüber hinaus nannte Welby parteiübergreifende Unterstützung für das Forum als weitere Bedingung, „auch wenn die Mitglieder keine Politiker sein werden“. Drittens müsse genug Zeit garantiert sein, um den Prozess richtig zu organisieren.

Brexit-Befürworter kritisieren Idee des Bürgerforums

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Dass der anglikanische Primas seine Zusage an mehrere Bedingungen knüpfte, wurde von Beobachtern damit erklärt, dass Brexit-Befürworter die Idee eines Bürgerforums bereits deutlich kritisiert hatten. Die Initiatoren vertreten in überwiegender Mehrheit die Position eines EU-Verbleibs der Briten.

Welby, der sich bereits mehrmals gegen einen Brexit ausgesprochen und vor den negativen Folgen eines Austritts für die Bevölkerung gewarnt hatte, lobte Bürgerforen als eine Möglichkeit, „schwierige Situationen“ zu bewältigen. Sei der EU-Austritt einmal vollzogen, herrsche ein wesentliches Bedürfnis nach Versöhnung. Dazu benötige man jedoch „viel Zeit, einen intensiven Einsatz für das Gemeinwohl und Unterstützung von jeder Seite“. Ein Bürgerforum sei nur eine von vielen Initiativen vor und nach dem Brexit.

Bischöfe warnen vor Gefährdung der Demokratie

Neben Welby hatten sich am Mittwoch 25 weitere anglikanische Bischöfe in einem offenen Brief zum Brexit geäußert. Darin warnten sie eindringlich vor den "potenziellen Kosten eines Brexit ohne Abkommen für diejenigen, die ökonomische Erschütterungen am wenigsten abfedern können". Auch werde ein definitiver Brexit zum 31. Oktober nicht notwendig das Vertrauen in die Regierung wiederherstellen, so die Bischöfe. "'Den Brexit hinbekommen' wird nicht am Austrittstag erledigt sein und wie müssen transparent sein, was die Jahre von Arbeit angeht, die vor uns liegen, wenn wir das Land für eine bessere zukunft einen wollen."

In dem Brief nannten die Unterzeichner sechs Punkte, die ihnen in der aktuellen politischen Lage besondere Sorgen bereiteten. Dazu zähle zunächst der Ton in der politischen Debatte und die Drohungen, denen sich Abgeordnete ausgesetzt sähen. Zugleich verlangten die Bischöfe von den Polikern Ehrlichkeit.

Mit Blick auf einen zentralen Streitpunkt der Verhandlungen, die nordirische Grenze, mahnten die Unterzeichner Respekt ein. "Frieden in Irland ist kein Ball, den die Engländer herumtreten können." Ebenfalls eindringlich kritisierten die Unterzeichner des offenen Briefs den Umgang der Regierung mit dem Londoner Unterhaus: "Die Souveränität des Parlaments ist keine leere Phrase, sondern basiert auf Institutionen, die wertzuschätzen und zu respektieren sind: Deren ungenierte Missachtung gefährdet unsere Demokratie."

Boris Johnson will Parlament bis kurz vor Austrittsdatum beurlauben

Die Brexit-Debatte spitzte sich in den vergangenen Tagen zu, nachdem der konservative Premierminister Boris Johnson das britische Parlament bis kurz vor dem Austrittsdatum beurlaubt hatte, um parlamentarische Initiativen Brexit-kritischer Abgeordneter mehr oder weniger zu verhindern. Nach einer fünfwöchigen Pause kommt das Unterhaus nun erst am 14. Oktober wieder zusammen. Der Austrittstermin ist für den 31. Oktober angesetzt. Experten sind mehrheitlich davon überzeugt, dass die zwei Wochen im Oktober nicht ausreichen werden, um einen von Johnson angestrebten Brexit ohne Abkommen zu verhindern. Indes fand eine Petition gegen die vom Premierminister verordnete Zwangspause bereits mehr als eine Million Unterstützer.

DT/mlu/kma
Hinweis: Nachträglich ergänzt um offenen Brief der Bischöfe

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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