Der mutmaßliche Anschlag auf der Berliner Stadtautobahn war nach Einschätzung der Behörden islamistisch motiviert. „Nach jetzigem Stand der Erkenntnisse gehen wir von einem islamistischen Anschlag aus“, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch. Es gibt aber auch „Hinweise auf eine psychische Labilität“, wie die Berliner Generalstaatsanwaltschaft und die Polizei gemeinsam mitteilten. Der Angreifer habe am Dienstagabend mit seinem Auto „quasi Jagd“ auf Motorradfahrer gemacht, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Der krasse Ausdruck sei angemessen.
Sechs Menschen verletzt, drei davon schwer
Betroffen seien zwei Motorradfahrer und ein Rollerfahrer. Die Motorradfahrer und ein Auto seien gerammt worden, ein weiterer Wagen gestreift worden. Die Kollisionen seien als gezielte Anschläge zu werten. Sechs Menschen wurden verletzt, drei davon schwer. Ein Motorradfahrer habe schwerste Verletzungen an Kopf und Wirbelsäule erlitten.
Der katholische Erzbischof Heiner Koch und der evangelische Bischof Christian Stäblein bekundeten den Opfern und ihren Angehörigen ihr Mitgefühl. Zugleich verurteilten sie am Mittwoch in einer Presseerklärung „jegliche Versuche, die Religion für die Begründung von Terror und Gewalt zu missbrauchen“.
Als Täter festgenommen wurde ein 30-jähriger Iraker, der laut Staatsanwaltschaft in Deutschland geduldet wird. Er hatte die Crashs am Dienstagabend gegen 18.30 Uhr an drei Stellen auf der Stadtautobahn am südwestlichen Rand der Innenstadt verursacht. Ob weitere Personen in den Anschlag verwickelt gewesen seien, werde untersucht, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Wir werden jeden Stein umdrehen.“ Gegen den Iraker werde wegen versuchten Mordes in mehreren Fällen ermittelt, sagte er weiter. Die Zusammenstöße seien absichtlich verursacht worden. „Aufgrund der Umstände gehen wir nicht von einem zufälligen Unfallgeschehen aus.“
Kontakt zu als Gefährder bekanntem Islamisten
Laut Polizei hatte der Verdächtige eine vermeintliche Munitionskiste dabei. Als er gestoppt wurde, habe er angekündigt, in der Kiste befände sich ein „gefährlicher Gegenstand“, hatte eine Polizeisprecherin gesagt. Das bewahrheitete sich nicht: Die Kiste enthielt nach Angaben der Polizei lediglich Werkzeug. Sprengstoffspuren seien im Auto nicht gefunden worden. Anhaltspunkte für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sahen Generalstaatsanwaltschaft Berlin und Polizei am Mittwoch nicht.
Aus Sicherheitskreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, dass der Iraker in Kontakt gestanden habe zu einem als Gefährder bekannten Islamisten. Beide sollen im vergangenen Jahr vier Monate lang in der gleichen Flüchtlingsunterkunft gewohnt. Der Berliner „Tagesspiegel“ berichtete, der Gefährder werde dem Spektrum der Terrormiliz Islamischer Staat zugeordnet. Die unter anderem für Terrorismus zuständige Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ließ sich über die Entwicklungen in Berlin informieren. „Wir stehen im ständigen engen Austausch mit den ermittelnden Behörden in Berlin“, sagte ein Sprecher auf Anfrage.
Religiös-islamistische Motivation liegt nahe
Der 30-Jährige sollte einem Haftrichter vorgeführt werden, der über den Erlass eines Haftbefehls wegen versuchten Mordes entscheiden sollte. Eine Ermittlungsgruppe „Motorrad“ wurde gegründet. Der für politisch motivierte Taten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei ermittelt. Die Kollisionen des Autofahrers mit anderen Fahrzeugen seien als vorsätzliche Angriffe zu werten, hieß es in der Mitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei. „Es handelt sich nach dem derzeitigen Ermittlungsstand um gezielte Angriffe vor allem auf Motorradfahrer mit zum Teil schwerwiegenden Folgen. Äußerungen des Beschuldigten nach seinen Tathandlungen legen eine religiös-islamistische Motivation nahe.“ DT/dpa
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