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Angriff auf die Kirche St. Elisabeth in Berlin

Die Kirche St. Elisabeth in Berlin wurde bereits zum dritten Mal von Abtreibungsbefürwortern mit Farbe besprüht. Die Vorsitzenden sämtlicher Lebensschutzorganisationen beobachten eine Radikalisierung des Milieus.
Berliner Kirche St. Elisabeth beschmiert
Foto: St. Matthias | Bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres wurde die Kirche St. Elisabeth in Berlin-Schöneberg von Abtreibungsgegnern mit einer Abtreibungsparole beschmiert.

Die Szene der radikalen Abtreibungsbefürworter wird aggressiver. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch vergangene Woche besprühten Unbekannte die Kirche St. Elisabeth in Berlin-Schöneberg mit der Parole „My body. My choice.“ (Mein Körper. Meine Entscheidung.). Die Täter warfen zusätzlich Farbbeutel an die Wand. Die Kirche in der Pfarrei St. Matthias Schöneberg wurde bereits zum dritten Mal innerhalb eines Jahres Opfer von Farbanschlägen.

Da der Farbanschlag nahezu identisch mit dem im Januar 2020 sei, lasse sich vermuten, dass die gleichen Täter dahinterstecken, so der Pfarrer der Gemeinde, Josef Wieneke, gegenüber der „Tagespost“. Auch die Kosten dürften sich im gleichen Rahmen wie vor einem Jahr bewegen. 2020 musste die Pfarrei rund 4 000 Euro aufbringen, um den Schaden zu beheben.

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Vergangenes Jahr erschien ein anonymes Bekennerschreiben aus der linksradikalen Seite „indymedia.org“. Darin begründeten die Angreifer die Tat mit der Einstellung der katholischen Kirche zur Abtreibungsfrage insgesamt und weil sich in den Räumen der Kirche vor dem Marsch für das Leben 2019 Abtreibungsgegner getroffen hätten.

Die Vorsitzende der „Aktion Lebensrecht für alle“ (ALfA), Cornelia Kaminski, bestätigt im Gespräch mit dieser Zeitung, dass der erste Farbanschlag gegen St. Elisabeth stattgefunden habe, nachdem der „Pro-Life Kongress“, der jedes Jahr im Zusammenhang mit dem Marsch für das Leben in Berlin von der „Jugend für das Leben“ organisiert wird, in der Kirche veranstaltet wurde. Auf die Seite „Menschenrechte.com“ wurde nun ein Video hochgeladen, das zeigt, wie die Kirche St. Elisabeth von den Tätern besprüht wird. In dem Video wird gefordert, Lebensschützern keine Räume zu bieten. „Das Prinzip ist also ganz klar: Wir sollen keine Räume mehr für unsere Veranstaltungen bekommen, die Vermieter sollen Angst haben, uns bei sich aufzunehmen. Das sind Nazi-Methoden“, betont Kaminski.

Nehmen die Angriffe allgemein zu?

Montag diese Woche versperrten Mitglieder der „Interventionistischen Linken“ dem Kölner Erzbischof, Rainer Maria Woelki, den Zugang zum Bischofshaus in Köln. Die Täter hingen Hunderte von Kleiderbügeln an das Eingangstor vor dem Haus, auf einem Banner stand „Weg mit Woelki, weg mit §218“. Auf dem Twitteraccount von der „Interventionistischen Linken“ wurden Fotos von der Aktion veröffentlicht, darunter heißt es: „Die reaktionäre Einstellung von Kardinal Woelki und anderen Abtreibungsgegner:innen ist ein tiefer Einschnitt in die Freiheit und Selbstbestimmung von Schwangeren.“ Die Kleiderbügel sollen die Selbstdurchführung illegalisierter Schwangerschaftsabbrüche symbolisieren.

Ende Februar erfolgte ein Farbanschlag auf das Büro der Aktion „SOS Leben“ in Frankfurt. Auf die Hauswand schrieben die Täter „Strajk Kobiet“ („Frauenstreik“) – der Slogan der polnischen Abtreibungsbewegung. „SOS Leben“ war bereits im Jahr 2017 und 2018 Opfer von Farbanschlägen geworden. Der Farbanschlag von 2017 sei bislang der schlimmste gewesen, so der Leiter von „SOS Leben“ Mathias von Gersdorff im Gespräch mit der „Tagespost“. „Damals kam einiges zusammen. Das war kurz nach der ersten Verurteilung von Kristina Hänel. Gleichzeitig lief die Aktion ,40 Tage für das Leben‘ in Frankfurt. Unsere Aktion hat die Gebetsaktion weder angemeldet noch organisiert, aber einige von uns haben persönlich teilgenommen. Wir wurden quasi das Ziel des gesamten Hasses, der sich in Frankfurt bei den Abtreibungsaktivisten aufgestaut hat.“

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Ende November letzten Jahres wurde das Beratungszentrum von „Pro Femina“ in München mit Farbe beworfen. Dass das Verhalten der radikalen Abtreibungsbefürworter in den letzten Jahren extremer geworden ist, bestätigt der Vorsitzende von „Pro Femina“, Kristijan Aufiero im Gespräch mit dieser Zeitung: „Wir haben jetzt bereits zwei Farbanschläge gehabt – dazwischen immer kleinere Episoden wie beispielsweise mit Sekundenkleber verschlossene Schlösser. Das haben wir vor 2019 in zwanzig Jahren unserer Existenz noch nie gehabt.“

Doch die Aggressivität nimmt nicht nur gegenüber den einzelnen Lebensschutzorganisationen zu, sondern es werden zusehends auch Einzelpersonen angegriffen, die sich kritisch zur Abtreibung äußern. So wurde das Auto des Journalisten und Kolumnisten der Berliner Zeitung B.Z., Gunnar Schupelius, bereits zweimal in Brand gesteckt. Wie Schupelius gegenüber der „Tagespost“ bestätigt, hing der Anschlag in der Silvesternacht 2020 mit seinen kritischen Beiträgen zu den Themen Gender Mainstreaming und Abtreibung zusammen. In einem Bekennerschreiben auf „indymedia“ heißt es unter anderem: „Er mobilisiert alljährlich zum ,Marsch fürs Leben‘ von Abtreibungs*gegnerinnen und macht immer wieder deutlich, was er von Frauen und ihren Aufgaben und Pflichten hält.“ Die Brandstifter seien bis heute nicht ermittelt worden. „Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen bereits nach einem halben Jahr eingestellt, ohne dass ich als Zeuge befragt worden wäre“, so Schupelius.

Neuerdings würden Teilnehmer an Veranstaltungen von Lebensschutzorganisationen außerdem unter falschem Namen erscheinen und anschließend Unwahrheiten über die Einrichtungen verbreiten. So habe sich einmal eine Journalistin in eine Veranstaltung von ALfA eingeschlichen, die dann in ihrem Artikel behauptete, die ALfA-Vorsitzende sei Abgeordnete der AfD. „Das ist im Grunde das alte Prinzip: ,Audacter calumniare, semper aliquid haeret: Verleumde nur tüchtig, irgendetwas bleibt immer hängen‘“, klagt Kaminski.

Woran liegt diese Entwicklung?

Aufiero hält die Debatte um § 218 StGB und §219a StGB bei der zunehmenden Radikalisierung der Abtreibungsbefürworter für ausschlaggebend: „Diese Verschärfung hat meines Erachtens damit zu tun, dass es breite politische Sympathien und Legitimation gibt. Die Täter, die hier ihre Parolen hinterlassen, und sich bei ,indymedia‘ dazu bekennen, fordern ja im Wortlaut das Gleiche, was die Linke im deutschen Bundestag fordert.“

Schupelius beobachtet die Verharmlosung der Anschläge von linksradikalen Abtreibungsbefürwortern auch in den Medien. „In Berlin ist die Gewöhnung an politisch links motivierte Gewalt besonders ausgeprägt. Über das Thema Lebensschutz wird in den meisten Medien weder sachlich noch ausgewogen berichtet.“

Wird ausreichend dagegen vorgegangen?

Dass die radikale Vorgehensweise von Abtreibungsbefürwortern gegen Kirchen und Lebensschutzorganisationen ein zunehmendes Problem ist, scheint in der Politik aber inzwischen angekommen zu sein. „Die Tagespost“ hat die religionspolitischen Sprecher aller Bundestagsparteien angefragt. Die Grüne, die Linke und die FDP antworteten bis Redaktionsschluss nicht darauf.

„Gewalt und Sachbeschädigung sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Die Taten müssen von den Sicherheitsbehörden aufgeklärt und geahndet werden“, fordert der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD, Lars Castellucci auf Anfrage dieser Zeitung. „Es kann nicht sein, dass Kirchen und andere Gotteshäuser in unserem Land bewacht werden müssen. Wir müssen mehr dafür tun, dass solche Sicherheitsmaßnahmen unnötig werden, vor allem durch mehr Prävention.“ Der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der Union, Hermann Gröhe, betont gegenüber der „Tagespost“, dass Hassattacken und Sachbeschädigungen „sich gegen die Grundrechte der Religions- und Meinungsfreiheit, welche selbstverständlich auch den Einsatz von Christinnen und Christen für den Schutz ungeborenen Lebens umfassen“. Falls einzelne Kirchengemeinden wiederholt angegriffen würden, müsse auch die Möglichkeit des Polizeischutzes für die entsprechenden Gebäude erwogen werden.

Auch der Kirchenpolitische Sprecher der AfD, Volker Münz, ist der Meinung, dass dem Problem bisher nicht genügend entgegengewirkt wird. „Die zunehmenden Angriffe auf Kirchen und christliche Symbole erhalten zu wenig Aufmerksamkeit. Schmierereien durch Linksextremisten wie den Abtreibungsbefürwortern oder der radikalen Homosexuellenlobby (wie jüngst in Bremen an der Kirche des evangelischen Pastors Latzel) werden achselzuckend hingenommen“, so Münz gegenüber der „Tagespost“.

Wenn die Politiker ernsthaft gegen diese Radikalisierung vorgehen wollen, dann müssen sie aber im Bundestag damit anfangen.

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