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Alfred Dregger: Katholik und Patriot

Christ sein und sein Land lieben - für Alfred Dregger gehörte beides selbstverständlich zusammen. Zum 100. Geburtstag des christdemokratischen Staatsmannes.
Katholische Glaube gab Alfred Dregger einen inneren Kompass
Foto: imago stock&people | Der katholische Glaube gab Alfred Dregger einen inneren Kompass, aus ihm leitete er die Kriterien ab, nach denen er politische Probleme bewertete.

Alfred Dregger, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, war ein Ausnahmepolitiker. Denn er verfügte über ein Talent, dessen Bedeutung heute immer deutlicher wird, weil es an allen Ecken und fehlt. Dregger hatte nicht nur eine inhaltliche Botschaft, er verkörperte sie auch durch seine Persönlichkeit. "Haltung und Herz", so hat Dreggers langjähriger Weggefährte Dieter Weirich dieses Phänomen in seiner Biographie umschrieben, die er zum. 100. Geburtstag veröffentlicht hat. Was die Grundhaltung und die aus ihr abgeleiteten politischen Erfolge Dreggers angeht, darüber kann man heute in den Geschichtsbüchern lesen: Er gehörte zu denen, die den Weg zur Deutschen Einheit wesentlich mit ermöglichten - zusammen mit Helmut Kohl, dem er als Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag eng zur Seite stand.

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Glaube als Motor für die Politik

Wofür aber schlug Dreggers Herz? Der Glaube war für den Katholiken Dregger der Motor für seine Politik. Er gab ihm einen inneren Kompass, aus ihm leitete er die Kriterien ab, nach denen er politische Probleme bewertete. Freilich nicht in dem Sinne, dass er daraus ein intellektuelles Konzept gefertigt oder eine besondere Vorliebe für ein vielleicht sehr reflektiertes, oft aber eben auch folgenlose Herum-Theoritisieren entwickelt hätte. Ganz im Gegenteil, er folgt der Devise: An der Tat sollt ihr den Mann erkennen. Über das, von dem mein Herz voll ist, muss man nicht reden, sondern entsprechend handeln. 

Die 70er und 80er Jahre waren aber nun einmal die Hochzeit der Theorie-Debatten. Und das erklärt vielleicht auch am besten das verzerrte öffentliche Bild, das Dreggers politische Gegener von ihm zeichnen konnten: Erzkonservativer, Reaktionär: Stahlhelm-Fraktion. Den Dichtern und Denkern passte der Tatmensch Dregger nicht ins Bild. Ganz anders aber die Wahrnehmung bei den Bürgern: Dregger konnte nur deswegen seine Partei, die zuvor in Hessen ein Nischendasein geführt hatte, an den Rand zur absoluten Mehrheit bringen, weil die Menschen spürten, dass hier einer aus echter Leidenschaft für die res publica in den politischen Ring steigt, sie es mit einem echten Patrioten zu tun haben. "Aus Liebe zu Deutschland" - dieser Wahlslogan der CDU der ausgehenden 70er bringt wohl am besten die Grundhaltung des Patrioten Dregger zum Ausdruck. Dabei wäre dem Katholiken nie eingefallen, dies im Gegensatz zu seinem Glauben zu sehen. Im Gegenteil: Der Einsatz für das Gemeinwohl und die Liebe zum eigenen Vaterland - das waren für ihn zwei Seiten der gleichen Medaille, beides befruchtete sich gegenseitig.

National, aber nicht nationalistisch

National, aber nicht nationalistisch. Es ist eine alte Weisheit: Patrioten lieben ihr Land, Nationalisten hassen die anderen Länder. Die Vita von Dregger, dem ehemaligen Offizier, unterstreicht sie. Als junger Mann musste er wie die meisten Männer seiner Generation in einen Krieg ziehen, den sie nicht begonnen hatten. Trotzdem waren sie als Soldaten in Verantwortung gestellt, die sie vor allem gegenüber ihren Kameraden ausüben mussten. Deswegen kämpfte noch der alte Dregger für die Ehre seiner Kameraden, als diese Ende der 90er Jahre im Zuge der Wehrmachtsausstellung pauschal als "Verbrecher" verunglimpft werden sollten. Gleichzeitig war er ein engagierter Europäer, der sich der Paneuropa-Union Otto von Habsburgs verbunden fühlte. Weggefährten berichten, dass es passieren konnte, das Dregger in Gesprächen auf sein kriegsverletztes Bein deutete und betonte: "Deswegen bin ich für Europa."   

Schließlich noch etwas zum Konservativen Dregger: Er war ein Konservativer,  weil er intuitiv die Prägungen, die seinem Leben durch Erziehung und Herkunft vorgegeben waren, nicht in Frage stellte, sondern als Chance begriff. Er wollte sich nicht von ihnen emanzipieren, sondern sie weiter ausbauen. Dieses Ziel ist ihm gelungen.

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