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Zuwanderungsgipfel: Acht Punkte für eine bessere Fachkräfte-Politik

Angela Merkel will endlich „Menschen finden, die bereit sind, nach Deutschland zu kommen“ - und hier auch noch arbeiten wollen. Acht Punkte, die sie dabei unterschlägt.
Fachkräfte und Eiwanderung
Foto: Rainer Jensen (dpa) | Nichts spricht gegen Fachkräfte-Einwanderung. Aber noch wichtiger wäre, die bereits Zugewanderten in Lohn und Brot zu bringen und nicht als Dauerbelastung der Sozialsysteme abzubuchen, meint Roland Tichy.
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Merkel will wieder mehr Einwanderung, und alleGroKo-Minister machen begeistert mit. Arbeitsminister Hubertus Heil bietet der Wirtschaft gleich eine ganze Menü-Karte an – die Wirtschaft kann bei ihm Fachkräfte bestellen wie beim märchenhaften Tischlein-deck-Dich: „… muss uns sagen, in welchen Ländern sie für welche Branchen auch Fachkräfte anwerben will“. Gesundheitsminister Jens Spahn will „im Ausland Hilfe suchen, die zu uns passt: motiviert, gut qualifiziert und bereit, unsere Werte zu leben. Das ist genau die Zuwanderung, die wir wollen.“ Die Vertreter der Wirtschaft sind begeistert, was man leicht verstehen kann: Mehr Fachkräfte bedeutet niedrigere Löhne, diese Rechnung ist leicht nachvollziehbar. Also – worum geht’s beim Gipfel in Schloß Meeseberg, und was läuft mal wieder schief? Dabei gilt grundsätzlich: gegen Zuwanderung, die Deutschland wirtschaftlich nutzt und sozial hilft, ist wenig einzuwenden. Abschottung gegen Fachkräfte oder Wissenschaftler wäre verheerend. Auch der demographische Wandel kann mit Einwanderung von Personen, die zu uns passen, gemildert werden. Aber ist das, was die Bundesregierung plant, wirklich dafür geeignet?

1. Eingeständnis einer Pleite

Eigentlich ist der Fachkräftegipfel Eingeständnis einer Pleite: die von Merkel ausgelöste Massenmigration von rund zwei Millionen Personen hat kaum Fachkräfte ins Land geholt. Kurz nach seinem Ausscheiden als Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erklärte Frank-Jürgen Weise: „Nur zehn bis 15 Prozent der Flüchtlinge sind gut qualifiziert und finden innerhalb eines Jahres einen Arbeitsplatz. Eine große Gruppe hat praktische Erfahrungen, aber keine anerkannten Ausbildungen. Und 20 Prozent haben weder Schul- noch Ausbildungsabschluss. Damit ist klar: Flüchtlinge sind keine Antwort auf unseren Fachkräftemangel.“

Zwar nennt die Bundesregierung gerne höhere Zahlen, die allesamt geschönt sind. Zerpflückt man sie, dann zeigt sich: Bei realistischer Betrachtung sind etwa 20 Prozent der seit 2015 eingereisten Asylbewerber inzwischen sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Merkels gefeierte Zuwanderungspolitik ist ein Flop. Am Beginn eines Neuansatzes müsste eine solide Selbstkritik stehen. Die fehlt. Damit werden die alten Fehler wiederholt.

2. Gescheitert: Sprach- und Integrationskurse

Nicht nur die Grundqualifikation von Merkels Einwanderern ist unzureichend, auch die Integrationskurse funktionieren nicht. Ernüchterndes Ergebnis: Die Erfolgsquoten werden Jahr für Jahr schlechter. Mittlerweile erreicht gerade einmal jeder zweite Zuwanderer, der erstmal an so einem Kurs teilgenommen hat, das sowieso über die Jahre schon nach unten leistungsangepasste angestrebte Kursziel. Erfolgreich an Sprachkursen teilzunehmen scheitert am Unwillen, die notwendige Vorarbeit dafür zu leisten, und an fehlender Motivation überhaupt Teil der Gastgesellschaft werden zu wollen, wo sich doch Parallelgesellschaften entwickeln, die vor allem deshalb reizvoll sind, weil sich in ihnen viele und Generationen übergreifend dazu verabredet haben, Arbeit zu verweigern. Warum auch? Bei größeren Familien entsteht ein leistungsloses Sozialeinkommen, das weit höher ist als das aus meist prekärer Beschäftigung verdienbare. Hier geht es um mindestens eine Million Betroffene; rechnet man Frauen dazu, sogar um weit mehr. Diese Personen sollten zunächst befähigt werden, ehe neue Zuwanderung ausgelobt wird.

3. Die Folgen des bedingungslosen Grundeinkommens

Jetzt rächt sich, dass das Tor Asylzuwanderung weiterhin offen steht, auch abgelehnte Asylbewerber nicht wirklich ausreisen müssen und Leistungen immer weiter bezahlt werden – auch bei offenkundiger Weigerung, selbst erwerbstätig zu werden. Das faktisch gewährte bedingungslose und zeitlich unbegrenzte Grundeinkommen für jeden, der die Grenze überschreitet und Asyl ausspricht, hat die neue Zuwanderungsgesellschaft von der Erwerbstätigkeit abgekoppelt. Warum werden Leistungen des Staates nicht an Eigenleistungen der Empfänger gekoppelt? Dies wäre eines der Hauptfelder für sinnvolle Tätigkeit des Arbeitsministers, nicht die Vergabe von Einreisevisa für angebliche Fachkrafte, von denen viele die billigeren Wege des Unterhalts schnell kapieren werden.
4. Gibt es wirklich Fachkräftemangel?

Wie immer bei der GroKo reibt man sich die Augen. Hat man diesen Film nicht schon mal gesehen? Irgendwann? Oder ist der Plot irgendwie aus der Zeit gefallen? Derzeit häufen sich die Meldungen über den Abbau von Arbeitsplätzen in der Energie- und Automobilindustrie und bei den Banken. Und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt sollen neue Fachkräfte angeworben werden? Nun ist es zugegebenermaßen schwierig, einen Energie-Techniker aus einem stillgelegten Kohlekraftwerk in der Lausitz zum Krankenpfleger in Itzehoe umzuschulen und umzusiedeln. Aber dass Qualifikationen neu entstehender Jobs nicht mit den herkömmlichen übereinstimmen, ist so neu nicht, sondern Alltag. Hier gilt die einfache Regel: Es ist die Aufgabe der Unternehmen, ihre Fachkräftelücke zu schließen – sei es durch höhere Löhne, Hilfe bei der Gestaltung einer attraktiven Arbeits- und Lebensumwelt oder schlicht durch Rationalisierung. Der billige Weg ist, über Zuwanderung billige Arbeitskräfte zu importieren und die damit entstehenden Konflikte der Gesellschaft aufzuhalsen. Soziale Verantwortung sieht anders aus.

5. Verzögerter Strukturwandel

Die Gastarbeiterzuwanderung der 60er-Jahre war zwar für die deutsche Industrie bequem, weil sie ihre Strukturen mit billigen Arbeitskräften einfach fortführen konnte – und der deutsche Arbeitnehmer schon deshalb zum Schichtführer aufstieg, weil er wenigstens die Sprache verstand. Der Strukturbruch erfolgte dann mit Verzögerung in den 80er-Jahren umso brutaler; er hat die mittlerweile sesshaft gewordenen Zuwanderer, die voll Vertrauen auch ihre Familien nachgeholt hatten, besonders hart getroffen. Schlechtere Schulausbildung und Bildungsmotivation, Jugendarbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung, Abkopplung und Herausbildung von Subkulturen sind die Folge. Japan ging übrigens damals den genau gegenteiligen Weg: Es erlaubte trotz Arbeitskräftemangels in den traditionellen Industrien keine Zuwanderung. Die Folge war die frühere und radikalere Modernisierung der Wirtschaft, eine Beschleunigung des Strukturwandels und der Produktionsprozesse, die Japan schlichtweg zum Vorbild etwa für die deutsche Automobilwirtschaft machten, die japanische Prozesse und Verfahren importierte, um die eigene Rückständigkeit wieder auszugleichen. Jetzt scheint sich dieser Prozess zu wiederholen.

6. Hausgemachter Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel ist auch hausgemacht. Die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ mit 63 gibt es erst seit 2014. Sie wirkte – 2017 ergab eine Auswertung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dass die Zahl der Beschäftigten im Alter von 63 bis 65 Jahren in der Branche nach Einführung der neuen Regelung im Juli 2014 zeitweilig um mehr als 12 Prozent gesunken war. Insgesamt dürften mittlerweile mehr als 1 Million Anträge bewilligt worden sein.

Die Bundesregierung hatte bei der Einführung mit 200.000 Fällen gerechnet. Sie steht jetzt vor den Folgen ihrer eigenen Politik und versucht auch diesen Fehler per Einwanderung zu lösen. Besser wäre es, der Bundesarbeitsminister würde einen integrierten Beschäftigungsplan vorlegen. Aber das macht Mühe, Gipfel sind dagegen medienwirksam, weil sie Bemühen vortäuschen.

7. Vorruhestandsregelung: Ab in die Rente

Aber die Fehler werden verlängert. Über Vorruhestandsregelungen werden jährlich hunderttausende Mitarbeiter in die berufliche Untätigkeit geschickt. Verbunden wird dies meist mit einer saftigen Abfindung. So beträgt nach Recherchen von TE die durchschnittliche Abfindung in der Automobilindustrie zwischen 200.000 und 250.000 Euro, abhängig vom Unternehmen. Diese Abfindung in Verbindung mit der Vorruhestandsregelung ist das Lieblingsmodell der Gewerkschaften und Betriebsräte. Klar, die Betroffenen können bei solchen Angeboten nicht Nein sagen und sagen zum Abschied freudig Tschüss. Die Abfindung sei ihnen auch gegönnt, sie wird heute als Teil des Lohns wahrgenommen, der eben mit Mitte 50 zur Auszahlung kommt. Aber die Gewerkschaften legen besonderen Wert auf die garantierte Nicht-mehr-Beschäftigung. So soll das Arbeitsangebot verknappt und die Löhne erhöht werden. Was vielleicht in den Beschäftigungskrisen der Nuller-Jahre mit sechs Millionen Arbeitslosen verständlich war, ist derzeit nichts anderes als eine falsche Weichenstellung.

8. Deutschland attraktiv machen für Fachkräfte

Fazit: Nichts spricht gegen Fachkräfte-Einwanderung. Aber noch wichtiger wäre, die bereits Zugewanderten in Lohn und Brot zu bringen und nicht als Dauerbelastung der Sozialsysteme abzubuchen. Denn das macht Deutschland in der Folge für wirkliche Leistungsträger wenig attraktiv: Extrem hohe Sozialabgaben und Steuern, die die SPD immer noch weiter erhöhen will, schrecken wirkliche Leistungsträger ab. Großbritannien und die USA sind viel begehrter, weil sie individuellen Wohlstand ermöglichen und nicht die In-Dienst-Nahme für einen Steuer- und Abgabenstaat.

Deutschland ist längst kein Zielland für Hochqualifizierte, die in andern Ländern netto weit mehr verdienen können. Die Massenzuwanderung, wie sie Merkel seit 2015 ausgelöst hat, führt zu wachsender Ablehnung durch die Bevölkerung, die bislang ausgesprochen zuwanderungsfreundlich war. Das ständig verschlechterte Bildungssystem ist für zukunftsorientierte Zuwanderer mit Blick auf ihren Nachwuchs geradezu abschreckend. Hochqualfizierte sind in der Regel familienorientiert und wertekonservativ. Sie können sich mit der deutschen Gesellschaftspolitik nicht anfreunden, in der Familien, Bildung, Sicherheit und Leistung schlicht „das Letzte“ sind. Deutschland wird für Zuwanderung attraktiv, wenn endlich wieder mehr Netto vom Brutto bleibt und die Löhne in Knappheitsberufen wirklich steigen.

Der Beitrag erschien zuerst auf www.tichyseinblick.de

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