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Wuhan: Stammt das Coronavirus aus einem Biowaffenlabor der Stadt?

Warnungen der amerikanischen Botschaft in China über die Schwachstellen in sensiblen Bereichen von Wuhan zeigen, dass das Coronavirus unbeabsichtigt aus einem Labor entwichen sein könnte.
Wuhan:  Stammt Coronavirus aus einem Biowaffenlabor der Stadt?
Foto: Cheng Min (XinHua) | Wuhan: Mitarbeiter arbeiten in einem Labor in Wuhan in der zentralchinesischen Provinz Hubei.

Schon vor zwei Jahren warnte die amerikanische Botschaft in China über die Schwachstellen in sensiblen Bereichen von Wuhan, wie die Washington Post nun enthüllt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Coronavirus unbeabsichtigt aus einem Labor entwich. 

Verschwörungstheorie oder Fakt? Was vor einigen Wochen von vielen Medien noch als wilde Spekulation zurückgewiesen wurde, gibt Anlass zu einer näheren Betrachtung der Hintergründe. Aufgegriffen von der Washington Post deckt die amerikanische Zeitung auf: Diplomaten der amerikanischen Botschaft in China hatten das US-Außenministerium zwei Jahre, bevor die Covid-19-Pandemie die Welt heimsuchte, über die Sicherheitsrisiken gewarnt, die von einem der Laboratorien in Wuhan ausgingen, in dem Studien über aus Fledermäusen stammende Coronaviren durchgeführt wurden. Die hochrangigen Führungskräfte, die den Wissenschaftsstandort seinerzeit besichtigt hatten, übermittelten zwei beunruhigende Botschaften nach Washington.
Diese Mitteilungen hätten nun, so schreibt der auf nationale Sicherheitsfragen spezialisierte Kolumnist der amerikanischen Tageszeitung, Josh Rogin, „innerhalb der amerikanischen Regierung Diskussionen über die Frage ausgelöst, ob dieses Labor oder ein anderes Labor in Wuhan der Ausgangspunkt des Virus war – auch wenn es bisher noch keinen schlüssigen Beweis dafür gibt“. 
Im Januar 2018 hatte die amerikanische Botschaft in Peking beschlossen, mehrere Diplomaten, darunter den Generalkonsul von Wuhan, Jamison Fouss, und den wissenschaftlichen Berater der Botschaft, Rick Switzer, zu einem Rundgang an das Institut für Virologie von Wuhan (WIV) zu schicken, in dem damals das erste P4-Labor des Landes mit der höchsten biologischen Schutzstufe untergebracht war. Ein über den letzten dieser Besuche auf Englisch veröffentlichtes Kommuniqué vom 27. März 2018 wurde vor wenigen Tagen von der Webseite des WIV gelöscht.

Die erste Depesche teilte zudem mit, dass die Laborarbeiten
über die Coronaviren der Fledermaus und ihre potentielle
Weitergabe an Menschenein Risiko für eine
neue Pandemie des SARS-Typus darstellten

Sicherheitslücken im Labor

Rogin schreibt: „Was die amerikanischen Verantwortlichen im Laufe ihrer Besuche erfuhren, hat sie dermaßen beunruhigt, dass sie zwei diplomatische Depeschen nach Washington sandten. Diese warnten vor den Sicherheitslücken und der Laborführung des WIV und empfahlen mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung. Die erste Depesche teilte zudem mit, dass die Laborarbeiten über die Coronaviren der Fledermaus und ihre potentielle Weitergabe an Menschen ein Risiko für eine neue Pandemie des SARS-Typus darstellten“. In der Mitteilung vom 19. Januar 2018, die von zwei Verantwortlichen der Abteilungen Umwelt, Wissenschaft und Gesundheit der Botschaft verfasst wurde, die sich mit Wissenschaftlern des WIV getroffen hatten, heißt es, sie hätten festgestellt, „dass es dem neuen Labor an ordentlich ausgebildeten Technikern und Forschern ernstlich fehlte“, um dieses Hochsicherheitslabor „mit absoluter Sicherheit zu betreiben“. Als Reaktion auf chinesische Anfragen hätten die diplomatischen Depeschen zudem für eine stärkere Unterstützung der chinesischen Forscher durch die Vereinigten Staaten plädiert, die bereits von der Universität Texas sowie weiteren amerikanischen Organisationen unterstützt wurden.

„Wie schon viele betonten, weist nichts darauf hin, dass das derzeit weltweit wütende Virus künstlich erzeugt wurde – die Wissenschaftler sind sich weitgehend über seinen tierischen Ursprung einig“, erinnert die Washington Post. Doch dies bedeute nicht, „dass es nicht aus dem Labor stammt, das jahrelang die Coronaviren der Fledermaus bei Tieren untersuchte“, wie Xiao Quiang, Forscher an der School of Information der University of California in Berkeley, erklärte. Die Mitteilung der Botschaft bestätige, dass es schon seit langem „Bedenken über die Möglichkeit einer Bedrohung der Volksgesundheit gibt, die aus den Forschungen dieses Laboratoriums resultiert, wenn diese nicht in angemessener Weise durchgeführt und geschützt werden“. Diese Befürchtungen betreffen ebenfalls das ganz nahe gelegene Labor des Center for Disease Control and Prevention in Wuhan mit der Sicherheitsstufe P2, das also sehr viel weniger gesichert ist. 

Mediziner und Journalisten sind verschwunden

Nicht nur in den USA ist man hellhörig geworden. Auch im Vereinigten Königreich gab es in den vergangenen Tagen Presseberichte, denen zufolge die Hypothese eines versehentlichen Entweichens des Coronavirus von den britischen Nachrichtendiensten nicht als belanglos betrachtet werde.

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Seit dem Beginn der weltweiten Coronakrise behaupteten die chinesischen Behörden, dass das Virus von einem Tiermarkt in Wuhan ausgegangen sei, obwohl es dafür keine unwiderlegbaren Beweise gab. In einer in der renommierten Medizinzeitschrift „The Lancet“ publizierten Studie zeigten chinesische Experten, dass der erste im Dezember identifizierte Coronapatient keinerlei Verbindung zu dem Markt hatte, wie auch mehr als ein Drittel der Fälle der ersten großen Krankengruppe der Region keinerlei Kontakt zu diesem Markt hatte. Außerdem wurden dort auch keine Fledermäuse verkauft, wie die Washington Post bemerkt. Darüber hinaus erinnert Josh Rogin an das Labor von Shanghai, das am 11. Januar das Genom des Coronavirus veröffentlicht hatte: „Das Labor wurde unverzüglich von den Behörden geschlossen. Mehrere Mediziner und Journalisten, die schon sehr früh über die Ausbreitung des Virus berichtet hatten, sind verschwunden“. 

Der Forscher Xiao Qiang von der University of California resümiert gegenüber der Washington Post: „Ich glaube nicht, dass es eine Verschwörungstheorie ist. Ich glaube, dass es eine legitime Frage ist, die Untersuchungen und Antworten erforderlich macht“. Schließlich stelle „das genaue Verständnis über den Ursprung des Virus eine wesentliche Erkenntnis dar, um zu verhindern, dass sich dies in der Zukunft wiederholt“. 

 

DT/ks

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