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Vor 30 Jahren: Erster Besuch eines Sowjet-Chefs im Vatikan

Am 1. Dezember 1989 trafen sich mit Johannes Paul II. und Michail Gorbatschow zum ersten Mal das Oberhaupt der katholischen Kirche und der mächtigste Mann der kommunistischen Welt. Die Begegnung gilt als Meilenstein in einem lange Annäherungsprozess.
Michail Gorbatschow und Papst Johannes Paul II.
Foto: Osservatore Romano (Romano Siciliani) | Papst Johannes Paul II. empfängt den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow am 1. Dezember 1989 im Vatikan.

Vor genau drei Jahrzehnten, am 1. Dezember 1989, trafen sich mit Papst Johannes Paul II. und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow zum ersten Mal das Oberhaupt der Katholische Kirche und der mächtigste Mann der kommunistischen Welt. 72 Jahre nach der Oktoberrevolution sprachen die beiden über die moralische Kraft der Religion. Die Begegnung im Vatikan gilt als Meilenstein in einem langen Annäherungsprozess. Zuvor hatten Kirchenverfolgung, Unterdrückung und Abqualifizierung von Religion als „Opium des Volkes“ jahrzehntelang kaum Ansatzpunkt für ein Gespräch geboten.

Die Leiden der Kirche im Kommunismus angesprochen

Im Rahmen des Treffens sprach Johannes Paul II. gezielt die Leiden der Kirche im Kommunismus an. „Allen sind die Geschehnisse der vergangenen Jahrzehnte und die schmerzlichen Prüfungen bekannt, die so viele Bürger ihres Glaubens wegen erdulden mussten.“ Gleichzeitig äußerte er die Hoffnung auf weitere Verbesserungen für die Kirche. Der Kreml-Chef betonte, dass Menschen aller Religionen das Recht hätten, die „eigenen religiöse Bedürfnisse zu befriedigen“. Das bereits geplante Gesetz für Gewissens- und Religionsfreiheit werde "in Kürze" angenommen, versprach Gorbatschow.

Das Treffen dauerte eineinhalb Stunden, für vatikanische Verhältnisse außergewöhnlich lang. Es rangierte als „offizieller Besuch“, was mehr ist als ein privater Besuch und weniger als ein „Staatsbesuch“. Es gab ein Ehrenpiket der Schweizergarde, aber keine Flaggen mit Hammer und Sichel. Beide äußerten den Wunsch, die bilateralen Beziehungen auszubauen - was in mehreren Etappen bis zum offiziellen Botschafteraustausch 2009 auch erfolgte.

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In Gorbatschow einen "Kommunisten mit Gewissen" gefunden

Im Gespräch mit der „Tagespost“ erklärte jüngst der italienische christdemokratische Politiker und Philosoph, Rocco Buttiglione, dass es die Strategie von Johannes Paul II. gewesen sei, zur Überwindung des Kommunismus an das Gewissen der Menschen zu appellieren. In Michail Gorbatschow habe der damalige Papst einen „Kommunisten mit Gewissen“ gefunden. Zwar habe auch Gorbatschow den Kommunismus nicht abschaffen, sondern nur reformieren wollen. Gerade bei der Wende in Deutschland habe er jedoch eine entscheidende Rolle gespielt: „Honecker rief Gorbatschow ja an und bat ihn, ihm die Rote Armee zur Verfügung zu stellen, um den Protesten zu begegnen. Gorbatschow sagte aber Nein.“ Dieses Nein, so Buttiglione, habe Gorbatschow zu einem großen Menschen gemacht.

Buttiglione zufolge habe Gorbatschow wiederum Johannes Paul II. den Hauptanteil an der Öffnung der Grenzen zugesprochen. „Wahrheit, Freiheit und Gewissen waren zentrale Themen ihrer Gespräche.“ Gorbatschows moralisches Gewissen sei sicher auch dadurch gebildet worden. „Und Gorbatschow war für das Christentum empfänglich, schließlich war er von seiner Großmutter ja getauft worden.“

Johannes Paul II. hatte Treffen angeregt

Angeregt hatte Johannes Paul II. das Treffen. Am Rande der kirchlichen Tausend-Jahr-Feiern 1988 überreichte der vatikanische Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli in Moskau Gorbatschow einen Brief des Papstes. Darin erklärte er, die beiderseitigen Kontakte vertiefen zu wollen. Gegenüber Journalisten hatte er erkennen lassen, den Kreml-Chef zu einem Gespräch zu empfangen, wenn die sowjetische Seite darum nachsuche. 14 Monate später äußerte Gorbatschow die „herzliche und höfliche“ Bitte um eine Begegnung.

DT/KAP/mlu

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