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„Selbstverständlich katholisch“

Konrad Adenauer ist als Gründungskanzler auch der Gründervater der Bundesrepublik. Ein Gespräch mit seinem gleichnamigen Enkel über das Erbe seines Großvaters.
Konrad Adenauer in Moskau
Foto: KNA | Auch in Moskau ging er in die Kirche: Konrad Adenauer reiste im September 1955 in die Hauptstadt des roten Imperiums, um mit den Sowjets über die Freilassung deutscher Kriegsgefangener zu verhandeln.

Herr Adenauer, Sie sind der Enkel von Konrad Adenauer. Man kann ihn zu Recht als Gründervater der Bundesrepublik bezeichnen. Sind wir insofern nicht alle ein bisschen Enkel Adenauers? Helmut Kohl wurde ja explizit so genannt. Angela Merkel, die in ihrem Büro ein Bild ihres Großvaters hängen hat, wäre dann so etwas wie die Urenkelin. Wie ist es aus Ihrer Sicht um das Erbe Ihres Großvaters in der Bundesrepublik bestellt?

Ja, in der Tat, in ihrem Büro hängt ein Porträt von ihm. Frau Merkel hat sich auch uns als Familie gegenüber immer zuvorkommend verhalten. Trotzdem bin ich aber der Meinung, dass die Politik heute weit entfernt ist von den Prinzipien meines Großvaters. Es fehlt leider überall der Mut, auch bei Frau Merkel. Mut aber war für meinen Großvater eine ganz wichtige Eigenschaft. Ich denke hier etwa an den überstürzten Ausstieg aus der Atomkraft und das Ende der Wehrpflicht. Politiker müssen den Mut haben, dem Zeitgeist entgegenzuwirken. Man muss klar seine Position vertreten. Und auch wenn man dann dafür keine Mehrheit bekommt, dann ist das eben so. Das muss man aushalten. Mut brauchen Politiker auch im Umgang mit den Medien. Wenn man manche Interviews im Fernsehen sieht, dann grenzt der Umgang der Journalisten mit Interviewpartnern schon an Frechheit. Da muss der Politiker in der Lage sein, zu zeigen, wer Koch und wer Kellner ist. Und im Zweifel muss der Politiker eben sagen: „Wenn Sie Ihren Ton nicht ändern, dann beenden wir hier das Gespräch.“

"Katholisch zu sein, war
für ihn ganz selbstverständlich"

Um seinen politischen Prinzipien so konsequent folgen zu können, musste Ihr Großvater viel Kraft aufbringen. Was war seine Kraftquelle?

Der Glaube hatte für ihn eine große Bedeutung. Er hat das aber nicht vor sich hergetragen. Katholisch zu sein, war für ihn ganz selbstverständlich. Mein Großvater war kein Gelehrter, kein Theoretiker. Er hat einfach danach gelebt. So hat er auch seine Kinder erzogen und die Familie geprägt.

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Von Ihrem Großvater ist ein Zitat aus einer Bundestagsrede besonders in Erinnerung: „Wir wählen die Freiheit!" Die Freiheit ist ja wichtig für das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Wie sah sein Freiheitsverständnis aus?

Freiheit war für ihn der zentrale Begriff. Und er meinte natürlich nicht Freiheit im materiellen Sinne. Ihm ging es um die Freiheit der Person. Gerade im Gegensatz zu totalitären Regimen, wie etwa damals die Sowjetunion. Aber auch heute müssen wir die Freiheit als Wert wieder mehr betonen und weltweit für sie eintreten. In Europa müssen wir stärker gegen die Erdogans und die Putins zusammenhalten.

„Wir müssen die Menschen nehmen wie sie sind. Wir haben keine anderen.“ In diesem Zitat Ihres Großvaters drückt sich eine Grundhaltung aus. Wie würden Sie die beschreiben?

Mein Großvater war ein Praktiker. Darin übrigens Helmut Kohl ähnlich. Man muss eben die Menschen nehmen wie sie sind. Um diese Menschenkenntnis zu haben, muss man aber auch tatsächlich die Menschen kennen und wissen, wie sie leben. Bei den Politikern von heute habe ich oft den Eindruck, sie sind vom Boden abgehoben. Und bekommen eben von diesem Leben kaum noch etwas mit.

"Die Familie ist auch der Ort, wo Werte vermittelt
werden. Das ist heute noch wichtiger als früher"

Die Familie Adenauer trifft sich jedes Jahr zu Weihnachten im Haus Ihres Großvaters in Rhöndorf. Welche Bedeutung kommt der Familie im Adenauerschen Wertekosmos zu?

Die Familie ist tatsächlich wichtig. Und sie war auch für meinen Großvater eine große Kraftquelle. Das hatte auch eine Wirkung nach außen: Es ist ja kein Zufall, dass er auf die Menschen auch als Kanzler wie ein Familienvater wirkte, der sich um sein Land eben wie um seine Familie sorgte. Das Väterliche an ihm hat Vertrauen geweckt. Die Familie ist aber eben auch der Ort, wo Werte vermittelt werden. Das ist heute noch wichtiger als früher. Denn es ist nicht mehr selbstverständlich, dass etwa die Weitergabe des Glaubens von Generation zu Generation reibungslos funktioniert. Ein zweiter Punkt, der bei uns wichtig war: Man ist bestrebt, Leistung zu erbringen und vor allem für sich selbst zu sorgen und nicht nach Anderen zu rufen. Das war damals das ganz normale bürgerliche Selbstverständnis.

Die Familie, da kommen mittlerweile bis zu 120 Menschen zusammen, trifft sich tatsächlich jedes Jahr am zweiten Weihnachtstag. Da müssen unten Stützbalken unter dem Boden eingezogen werden, weil sonst die Gefahr bestünde, dass der alte Boden die vielen Menschen nicht mehr hält. Das ist schon etwas Besonderes, wenn auch noch 52 Jahre nach seinem Tod die Familie so zusammenhält. In diesem Jahr verantwortet mein Familienzweig die Feier, wir sind insgesamt sechs Geschwister. Ich werde jetzt 75 Jahre alt, und bald werden wir hier auch die Verantwortung an die nächste Adenauer-Generation weitergeben.

"Frau Merkel sollte daran denken, dass auch
mein Großvater in der Mitte der Legislaturperiode
zurückgetreten ist, um seinem Nachfolger
Zeit zur Einarbeitung zu geben"

Auch die CDU ist ein Kind Ihres Großvaters. Wie schauen Sie auf die Partei?

Das Erscheinungsbild der Partei ist etwas grau. Wobei Frau Kramp-Karrenbauer sicherlich eine ordentliche Politikerin ist. Zu Frau Merkel: Ich finde, sie sollte daran denken, dass auch mein Großvater in der Mitte der Legislaturperiode zurückgetreten ist, um seinem Nachfolger Zeit zur Einarbeitung zu geben. Ich verstehe zwar, dass sie und ihre Umgebung befürchten, dass es dann Neuwahlen geben könnte und gar Rot-Rot-Grün droht. Das Durchschleppen bis zu nächsten Wahl bringt aber nichts außer Lähmung. Ich denke, Frau Merkel wird noch so lange im Amt bleiben, bis sie meinen Großvater in der Amtszeit überholt hat. Das wäre Weihnachten der Fall. Helmut Kohl hat auch die Tage gezählt. Für Kanzler und ihre Bedeutung in der Geschichte ist das wichtig.

Zur Person:

Konrad Adenauer ist Vorsitzender des Vorstands des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins von 1888. Er ist Notar im Ruhestand und hat als Rechtsanwalt gearbeitet. Sein Großvater war auch sein Patenonkel. Er gehört auch dem Vorstand der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus an, die in Rhöndorf das Andenken an den ersten Bundeskanzler pflegt.

Bei dem traditionellen Buß- und Bettag-Gespräch des Instituts für Gesellschaftswissenschaften hat der Adenauer-Enkel in der vergangenen Woche über seinen Großvater und dessen Bedeutung als Gründungsvater für die Bundesrepublik gesprochen.

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