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So werden Ängste geschürt

Die Diskussion um die mögliche Einführung eines islamischen Feiertags in Deutschland lässt einen kopfschüttelnd zurück. Von Oliver Maksan
Oliver Maksan: So werden Ängste geschürt
Foto: DT

Genau so werden Islamisierungsängste geschürt. Sicher hat die AfD Innenminister de Maiziere aus Dankbarkeit schon dicke Blumengebinde vor die Tür gelegt. Ausgerechnet ein CDU-Mann hat die Debatte vom Zaun gebrochen. Sekundiert hat ihm das katholische ZdK durch seinen Vorsitzenden Sternberg. De Maiziere wie Sternberg wollen jetzt nichts gefordert haben, sondern nur über die Bedingungen der Möglichkeit lokaler islamischer Feiertage nachgedacht haben. Wie man glaubt, das in einer so heiklen Frage unwidersprochen tun zu können, bleibt das Geheimnis der beiden Herren.

Sternberg berief sich in seinen Reflexionen auf die Religionsfreiheit. Damit kommt man in der Feiertagsfrage aber nicht weiter. Muslime in Deutschland sind auch ohne eigene Feiertage keine Bürger zweiter Klasse. Denn man kann nach unserer Verfassungsordnung die individuelle Religionsfreiheit von Muslimen nicht an die Gewährung von Religionsfreiheit in ihren muslimischen Herkunftsländern binden. Sie gilt unbedingt. Es ist zudem nur sinnvoll, Arbeitszeitregelungen zu finden, nach denen Muslime und andere Nichtchristen anlässlich ihrer Feste religiöse Feiern besuchen können. Das ist gesunder Pragmatismus in einer zunehmend multireligiösen Gesellschaft. Feiertage aber sind in erster Linie nicht Ausdruck von Religionsfreiheit, sondern eine kollektive Übereinkunft, an die sich keiner mehr erinnert, die aber immer noch mehrheitsfähig ist. Sie sind Ausdruck einer gewachsenen christlich-abendländischen Leitkultur, die Grundgesetz und Bundesrepublik vorausgeht und beide erst ermöglicht hat.

In einem Land, in dem jedes Jahr eine Großstadt aus den beiden großen Kirchen austritt, kann man nun sicher nicht so tun, als sei das traditionelle Christentum unangefochten. Es ist vielmehr todkrank. Und ja, für die Mehrheit der Deutschen sind die christlichen Feste keine Feiertage, wo der Heilsgeschichte gedacht wird, sondern arbeitsfreie Tage. Innerlich völlig teilnahmslos bleiben sie diesen gegenüber aber auch nicht. Die christlichen Feiertage sind für die meisten Deutschen nämlich Ausdruck eines Kulturchristentums, das weniger ihren Glauben als ihr Lebensgefühl prägt. Und das wollen die meisten Menschen erhalten sehen. Das zeigen auch die Umfragen, wo siebzig Prozent der Deutschen sich gegen islamische Feiertage aussprechen. Legitimer Wille zur kulturellen Selbstbehauptung drückt sich darin aus. Die totale Pluralisierung des öffentlichen Lebens hat jedenfalls keine Mehrheit im Lande.

Identität ist das Thema der Stunde und wird es bleiben. Das zeigen alle Wahlen, zuletzt in Österreich. Politische, ökonomische und kulturelle Globalisierung bewegt die Menschen bis in ihren Alltag hinein. Sie sehen die Vorteile, werden sich aber zunehmend auch über die entortnenden Folgen des Zusammenwachsens der Welt klarer. Massenmigration verschärft dies. Selbstvergewisserung und Weltoffenheit sind somit künftig zwei Seiten derselben Medaille. Die christlichen Kirchen sollten das als Chance begreifen und überzeugend darauf hinweisen, dass unsere Kultur ohne lebendige Wurzeln abstirbt.

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