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Leitartikel: Der letzte Lendenschurz

Von Jürgen Liminski

„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat“, meinte der Humorist Loriot, „dort, auf dem Plakat, ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“ Tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen – das geht mit der Ehe nicht. Diese Union bleibt. Bei der anderen, der politischen Union, weiß man das nicht so genau. Man wird sehen, was zuerst im Nebel der Geschichte entschwindet, das Institut der Ehe oder die Parteien, die mit prophetischem Eifer die Ehe für alle verkünden und damit an der Aushöhlung und somit an der Entfernung der Ehe arbeiten. Aber das ist eine Frage der Geschichte, für den konservativen Bürger der Gegenwart stellt sich die Frage: Was soll ich nun, in zwölf Wochen, wählen?

Wer die Gesellschaftspolitik zum Maßstab nimmt, der bleibt ratlos. Die Kanzlerin hat sich auf die Position der Gewissensfrage zurückgezogen und damit die Truppen auf der Grenzmauer gegen den Ansturm des Anything goes, den Nihilismus, im Stich gelassen. Die verlassenen Truppen haben nur noch eine Waffe: Den Gang nach Karlsruhe. Unter den 225 Abgeordneten der Union, die mit Nein stimmten, dürfte sich eine Gruppe finden, die als Kläger auftritt – wenn sie es denn ernst meinen mit dem Nein. Denn so wenig Risiko war nie. Die rot-rot-grüne Gelegenheitskoalition stimmte erwartungsgemäß geschlossen für die totale Aushöhlung der Ehe, mithin gegen die Verfassung. Die Frage ist in der Sache also noch nicht endgültig beantwortet, der Gang nach Karlsruhe wäre der letzte Lendenschurz der Union.

Solange können die Wähler nicht warten. Ihr Gang zur Wahlkabine ist bald und es steht zu befürchten, dass nun viele konservative Wähler erst gar nicht mehr den Gang unternehmen. Das aber würde dem rot-rot-grünen Lager zugute kommen. Schulz und Co. sind durch das Ergebnis motiviert und mobilisieren ihren Truppen. Ihre Hoffnung ist, dass die konservativen Wähler nun entweder zu Hause bleiben oder zur AfD wechseln. Die AfD ist die einzige politische Partei, die in ihrem Programm ein klares Nein zur gleichgeschlechtlichen Ehe aufführt, aber ihre Spitzenkandidatin lebt in einer Gemeinschaft mit einer Frau und deren zwei Kindern. Sicher, diesen Unterschied zwischen Programm und Personal haben andere Parteien auch, aber die AfD hat zudem noch ein familienpolitisches Programm, das gesellschaftspolitisch interessierte Bürger lockt. Hier müsste die Union aufrüsten, um den Abgang zu verhindern.

Die konservativen Franzosen, die nach der verlogenen und von der linksliberalen politischen Klasse gestohlenen Präsidentenwahl sich bei den Parlamentswahlen personell und programmatisch wie Vollwaisen vorkamen, standen vor der gleichen Frage: Soll man überhaupt noch wählen? 13 Prozent gaben einen ungültigen Stimmzettel ab als Zeichen ihres politischen Interesses, für das es in der politischen Klasse aber kein Angebot gab. Eine Art Protestdemonstration. Man kann freilich auch eine andere Überlegung anstellen: Wenn gesellschaftspolitisch alles egal ist, dann wähle ich halt wirtschafts-, außen-, sicherheits- oder schlicht ordnungspolitisch. Auch für diesen letzten Rest an Law and Order, für den Rot-rot-Grün sicher nicht steht, lohnt der Gang zur Urne.

Jürgen Liminski
Foto: DT | Jürgen Liminski.
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