54 Prozent – die Zahl der Woche. Dass wir uns im Moment in einer Phase des Umbruchs befinden, in der sich das Parteiensystem in Deutschland neu ordnet, dürfte mittlerweile jeder mitbekommen haben. Wer aber wissen will, unter welchen Bedingungen und vor allem von wem diese Weichen gestellt werden, der sollte diese Zahl genauer betrachten. 54 Prozent der SPD-Mitglieder, die sich beteiligt haben, gaben ihre Stimme für das Duo Norbert Walter-Borjans/Sakia Esken ab. 54 Prozent der Delegierten des AfD-Parteitages waren es aber auch, die für Tino Chrupalla als neuen Bundesvorsitzenden ihr Kreuz gemacht haben.
Chrupalla steht noch eine Menge Arbeit bevor
54 Prozent – das ist zwar eine Mehrheit, aber nur eine knappe. SPD wie AfD stehen vor wichtigen Kursentscheidungen. Die bekommt man als Parteiführung nur dann durch, wenn man eine breite Mehrheit hinter sich versammeln kann. Den Neugewählten steht noch eine Menge Arbeit bevor. Die Entscheidung der AfD für den Malermeister aus Görlitz wird von Alexander Gauland als Signal für die Reife der immer noch jungen Partei verkauft. Die sei aus den Flegeljahren raus und wolle nun endlich auch Verantwortung, Regierungsverantwortung übernehmen. Chrupalla stehe genau dafür. Aber ist das so? Im Interview mit dem ZDF druckste er, mit der Frage konfrontiert, wie er die NS-Vokabel „Umvolkung“ bewerte, nur herum.
Kommt der Ausbruch aus der Großen Koalition
Während die AfD also auf die Regierungsbank schielt, scheint es bei der SPD genau umgekehrt zu sein. Die Große Koalition wird von jener kleinen Mehrheit, die für das neue Spitzenduo gestimmt hat, vor allem als Gefängnis verstanden. Kommt jetzt der Ausbruch? Prognosen fallen schwer, nur leider mit Blick auf ein Thema nicht: das Lebensrecht. Ob die neue SPD-Führung, zudem von den Jusos protegiert, den Groko-Kompromiss zum Werbeverbot für Abtreibungen weiter mitträgt, ist zumindest zweifelhaft. Und auch Chrupalla setzt einen problematischen Akzent: Obwohl die AfD sich in ihrem Grundsatzprogramm klar zur „Kultur des Lebens“ bekennt, merkte er nun in einem ARD-Interview an, ein Selbstimmungsrecht der Frau müsse in der Frage der Rechtmäßgkeit von Abtreibungen berücksichtigt werden. Sag mir wohin!
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