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Gandhis Traum verblasst

Wie stark das Kastenwesen und der Hindu-Fanatismus in Indien heute sind, bekommen jene zu spüren, die am unteren Ende der Skala sind.
Freilassung unschuldig verhafteter Christen in Indien
Foto: Baier | Die Ehefrauen kämpften lange für die Freilassung ihrer christlichen Ehemänner, die willkürlich verhaftet worden waren.

Weit hat sich Indien, die größte Demokratie der Welt, vom Traum Mahatma Gandhis, des geistigen und politischen Führers der Unabhängigkeitsbewegung, entfernt. Er wollte einen kastenlosen, säkularen Staat als Heimat aller Inder, ungeachtet ihrer Religion. Wie stark das Kastenwesen und der Hindu-Fanatismus heute sind, bekommen jene zu spüren, die am unteren Ende der Skala sind: Christen (und übrigens auch Muslime), die zu den „unberührbaren“ Dalits und den indigenen Adivasi gehören. Sie sind hilflos, wehrlos, vogelfrei, der Gewalt hinduistischer Fanatiker wie der Willkür von Behörden und Gerichten ausgeliefert.

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Harmlose, arme christliche Männer des Mordes beschuldigt

Als 2008 maoistische Terroristen im Bundesstaat Odisha einen extremistischen Hindu-Prediger ermordeten, gingen dessen Anhänger auf die Christen los: Sie fackelten Dörfer ab, vergewaltigten Frauen, ermordeten Männer, brannten Kirchen nieder, vertrieben und terrorisierten Dorfgemeinschaften. Mancherorts sah die Polizei tatenlos zu. Dann wurden harmlose, arme christliche Männer des Mordes beschuldigt, den die Maoisten längst gestanden hatten. Die Justiz ging gegen die Opfer vor, nicht gegen die Täter. Weil es leichter ist, und weil es in Indien heute opportuner ist, christliche Dalits einzusperren, als gegen radikale Hindufanatiker vorzugehen.

Katholische Kirche kämpft jahrelang für Gerechtigkeit

Die katholische Kirche half den willkürlich verhafteten und abgeurteilten Christen: Mit Unterstützung von Missio kämpfte sie jahrelang für Gerechtigkeit. Mit Erfolg: Der Oberste Gerichtshof sprach die sieben Männer frei (s.S.5). Ein Beleg dafür, dass der Rechtsstaat in Indien zwar beschädigt, aber noch nicht beseitigt ist? Jedenfalls ein Beweis dafür, dass sich ein Kampf für die Rechte der Ausgegrenzten und Marginalisierten lohnt. Noch sind die Täter nicht benannt und bestraft, die Opfer nicht entschädigt, die Verbrechen gegen Christen nicht anerkannt, die Wehrlosen nicht geschützt. Mit gesetzlichen Konversionsverboten und Prozessen gegen Ordensleute schreitet Modis Hinduisierungspolitik weiter voran. Doch Hindu-Terror ist offenbar unter der Wahrnehmungsschwelle des Westens, weil die wirtschaftlichen Interessen viel zu stark sind.

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