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Glaube auf dem Prüfstand

Missbrauchen muslimische Flüchtlinge die Konversion zum Christentum, um nicht abgeschoben zu werden? Was Staat und Kirche dazu sagen. Von Maximilian Lutz
Muslime treten in das Christentum über
Foto: dpa | Eine Konversion zum Christentum kann Muslime vor der Abschiebung bewahren, wenn ihnen im Heimatland aufgrund ihres Glaubens eine Verfolgung droht – der Pastor Gottfried Martens segnet Migrantenkind Meliza in ...

Der Fall sorgt deutschlandweit für Furore und birgt Zündstoff für Kirche und Politik: Ein 41-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan erstach in einer Flüchtlingsunterkunft im oberpfälzischen Arnschwang einen kleinen Jungen. Zuvor war der Mann wegen schwerer Brandstiftung inhaftiert gewesen. Er wurde jedoch nicht abgeschoben, weil er im Gefängnis zum katholischen Glauben konvertiert war. Angesichts der sich häufenden Attentate mit islamistischem Hintergrund in Europa fällt die Bluttat des afghanischen Flüchtlings in eine Zeit, in der viele eine konsequente Abschiebung von Straftätern unter den Asylbewerbern.

Ralf Meister, Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, rief die Kirchen zu einer kritischen Prüfung von Flüchtlingen auf, die zum christlichen Glauben konvertieren. Und Ulf Küch, der stellvertretende Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, hält es „für einen Trick, um im Land bleiben zu können“, wenn muslimische Flüchtlinge in Deutschland zum Christentum konvertieren. Doch ist es tatsächlich so einfach für Asylsuchende, sich eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu erschleichen? Und welche Hürden müssen Geflüchtete nehmen, welche Vorbereitungen durchlaufen, ehe sie vom Islam zum Christentum übertreten können?

Matthias Kopp, der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, weist darauf hin, dass die katholische Kirche nicht leichtfertig mit Taufen umgehe. „Es braucht einen monatelangen Prozess der Vorbereitung und der Prüfung, bevor jemand getauft und in die Kirche aufgenommen wird“, erklärte er gegenüber dieser Zeitung. Dies gelte für alle Taufbewerber, unabhängig von Herkunft oder kulturellem Hintergrund. Ausdrücklich verweist der Pressesprecher der deutschen Bischöfe auf eine Arbeitshilfe der Bischofskonferenz, die sich explizit mit der Thematik befasst.

Jene Arbeitshilfe, von der Kopp spricht, stammt aus dem Jahr 2009 und trägt den Titel „Christus aus Liebe verkündigen. Zur Begleitung von Taubewerbern mit muslimischem Hintergrund.“ Darin heißt es, dass auch für die Begleitung von Muslimen das Sprichwort gelte, dass Hast der Teufel ist. „Die generelle Empfehlung, dass der Katechumenatsweg ein Jahr dauern sollte, dürfte beim Katechumenat mit Muslimen kaum unterschritten werden“, lautet es in der Arbeitshilfe. Trotz ihrer zeitlichen Ausdehnung dürfe die Vorbereitungszeit als Ersteinführung in den christlichen Glauben nicht darüber hinwegtäuschen, dass die nötige Vertiefung christlichen Glaubens und Lebens erst nach und nach im Alltag, in der täglichen Praxis und in der Begegnung mit den Angehörigen der neuen Glaubensgemeinschaft geschehen kann.

Noch ausführlicher beschreibt eine vom Bistum Speyer veröffentlichte Handreichung „zum Umgang mit dem Taufwunsch von Geflüchteten“ den Weg, den diese beschreiten müssen, ehe sie das Sakrament der Taufe empfangen. „Vor dem Eintritt in den Katechumenat müssen bestimmte Voraussetzungen geklärt werden, um eine bewusste Entscheidung zu ermöglichen. So kann sich nach dem ersten Kontakt ein längerer gemeinsamer Weg zwischen Taufinteressenten/-innen und Begleiter/-innen von durchaus bis zu zwei Jahren ergeben“, heißt es in der Handreichung. Zu den zu klärenden Voraussetzungen gehörten unter anderen die Lebenssituation des Interessenten, mögliche Traumata, der Aufenthaltsstatus sowie eine drohende religiöse und kulturelle Entwurzelung.

In der Broschüre steht weiter, dass grundsätzlich jeder Mensch, der Interesse an einer Taufe bekundet, ein Recht darauf habe, die „befreiende Botschaft des Evangeliums kennenzulernen“. Dennoch müsse und werde nicht jedes Interesse zwangsläufig zur Konversion führen. Ausdrücklich weist die Handreichung die Entscheider dazu an, die Motivlage des Interessenten zu hinterfragen. Zwar stehe demjenigen, an den der Taufwunsch gerichtet wird, keine Bewertung der Beweggründe zu. „Allerdings sollte die Motivlage wertschätzend hinterfragt werden, auch um den Taufinteressenten vor falschen Erwartungen zu schützen.“

Eine falsche Erwartung dürfte sein, dass eine Konversion zum Christentum automatisch zu einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland führt. „Allein die Taufe in Deutschland begründet in der Regel noch keinen Asylanspruch“, stellt DBK-Pressesprecher Kopp klar. Aus juristischer Perspektive ist solch ein Fall als „selbstverschuldeter Nachfluchtgrund“ einzustufen, der laut deutschem Recht einen Anspruch auf Asyl grundsätzlich ausschließt. Eine Taufe in Deutschland könne jedoch Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus haben und insbesondere dann einen Schutz vor Abschiebung nach sich ziehen, wenn im Heimatland mit „beachtlicher Sicherheit eine Verfolgung aus religiösen Gründen“ zu erwarten sei, so Kopp.

Die endgültige Entscheidung darüber, ob einem Asylsuchenden aufgrund einer Konversion zum christlichen Glauben ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zugesprochen wird, liegt in den Händen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Im Rahmen einer persönlichen Anhörung werden dort die näheren Umstände des Glaubenswechsels geprüft. Dabei seien Asylbewerber dazu verpflichtet, Nachweise vorzulegen, dass eine Konversion stattgefunden habe, erklärt Thomas Ritter, Pressesprecher des BAMF, gegenüber der „Tagespost“. Es reiche allerdings nicht aus, eine Taufbescheinigung vorzulegen, da diese keine Aussage darüber treffe, wie der Antragsteller seinen neuen Glauben bei der Rückkehr in sein Heimatland leben wird und welche Gefahren sich daraus ergeben.

„Der Entscheider muss beurteilen, ob der Glaubenswechsel des Antragstellers aus asyltaktischen Gründen oder aus echter Überzeugung erfolgt ist“, so Ritter. Das Bundesamt zweifele den durch Taufschein nachgewiesenen Glaubenswechsel an sich nicht an. „Es wird generell unterstellt, dass eine sorgfältige Taufbegleitung von Seiten der christlichen Gemeinden erfolgt ist.“ Die Anhörung zur Konversion dürfe nicht auf ein reines Glaubensexamen hinauslaufen. Ritter betont, dass vielmehr die Person im Mittelpunkt stehe. Warum hat sie ihren Glauben gewechselt? Wie wichtig ist ihr der Glaube? Wie hat ihr Umfeld reagiert? Wie hat sie ihren bisherigen Glauben praktiziert? Was gefällt ihr an ihrem neuen Glauben? Das sind einige der Fragen, die in einer Anhörung gestellt werden. Gutachten bei den Kirchen einzuholen sei allerdings nicht vorgesehen. „Aus der Gesamtschau heraus ist schlussendlich eine Entscheidung über die Ernsthaftigkeit des unstrittigen formalen Glaubenswechsels zu treffen“, so Ritter.

Konkrete Zahlen über muslimische Flüchtlinge, die ihren Glaubenswechsel als Flucht- oder Asylgrund vortragen, liegen nicht vor. Auch sei es äußerst schwierig, Schätzungen abzugeben, wie viele Flüchtlinge in den rund 11 000 Pfarreien in Deutschland ein Katechumenat machen, erklärte DBK-Sprecher Matthias Kopp. Das Seelsorgeamt des Bistums Augsburg sprach von erfahrungsgemäß geringen Zahlen konvertierter Muslime – bistumsweit weniger als zehn pro Jahr. Die Evangelischen Landeskirchen und die Freikirchen hatten im vergangenen Jahr von mehr als 2 000 Konversionen seit 2014 gesprochen, erklärten jedoch gleichzeitig, dass es eine beträchtliche Dunkelziffer gebe, weil manche Pfarrer in Eigeninitiative auf die Taufe vorbereiteten.

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