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Franziskus trifft den Anti-Franziskus

Die Beziehung zwischen dem Papst und dem US-Präsidenten hat schlecht begonnen, doch auf Dauer zählen ihre diplomatischen Apparate. Von Guido Horst
Wandgemälde in Rom
Foto: dpa | In Rom laufen Passanten an einer Wandmalerei vorbei, die einen teuflischen US-Präsidenten zeigt, der Papst Franziskus küsst. Das Bild trägt den ironischen Titel: „Das Gute verzeiht dem Bösen.“

Wenn am Mittwoch Donald Trump mit Frau und Tochter Papst Franziskus seine Aufwartung macht, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass die nach Bildern und Aufregern heischende Medienöffentlichkeit in höchster Alarmbereitschaft ist. Was trägt First Lady Melania, was Tochter Ivanka? Traten die Herren im Vatikan und im Weißen Haus mit einem Lächeln vor die Kameras oder taten sie das mit eisernen Mienen? Sicher aber ist auch, dass Franziskus an diesem Mittwochmorgen eines mehr am Herzen liegt: Die Generalaudienz, die unmittelbar nach der frühen Begegnung zwischen Papst und Präsident beginnt. Franziskus soll angeordnet haben, dass die herbeiströmenden Gläubigen durch die zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen nicht behindert werden sollen. Nicht Papst oder Vatikan haben dieses Treffen gewollt, sondern Trump, der auf dem Weg vom Orient zum G7-Gipfeltreffen auf Sizilien dieses erste Kennenlernen des Mannes in Weiß wollte – und als Präsident der Vereinigten Staaten hat er den Termin natürlich sofort bekommen.

Die Aufmerksamkeit der medialen Öffentlichkeit ist allerdings verständlich. Der Präsident der Vereinigten Staaten ist – immer noch, auch unter Trump – Führer der politischen Weltmacht Nummer eins, und der Papst ist die moralische Autorität Nummer eins in einer Welt, die sich zwar kaum noch darum schert, was die Kirche lehrt. Aber kein religiöses Oberhaupt der Welt steht für so viele Gläubige und Anhänger. Mit ihm sollte man es sich nicht verscherzen. Für China oder Indien mag das nur eingeschränkt gelten. Aber für ganz Amerika bestimmt nicht. Dort die Katholiken gegen sich aufzubringen, wäre für alle Staaten jenseits des Atlantiks heute ein politisches Problem. Das haben die Staaten Mittelamerikas gelernt – und auch die Vereinigten Staaten, deren Gründergeneration ursprünglich dem alten Europa mit seinen konfessionellen Spaltungen und Verfolgungen für immer den Rücken kehren wollte. Erst 1984 nahm Washington diplomatische Beziehungen zum Heiligen Stuhl auf – unter starken Protesten prominenter protestantischer Führer des Landes. Doch es sollte bald zu einer überaus innigen Beziehung werden, wie sie dann in der – man kann es so nennen – Freundschaft zwischen Ronald Reagan und Johannes Paul II. zum Ausdruck kam. Beide hatten 1981 – der Präsident im März und Karol Wojtyla am 13. Mai – schwer verletzt ein Attentat überlebt. Vor allem Reagan fühlte sich deswegen emotional sehr stark dem polnischen Papst verbunden – ganz abgesehen von der Gemeinsamkeit, als führende Protagonisten von Weltrang dem „Reich des Bösen“, der damals noch die kommunistische Hemisphäre dominierenden Sowjetunion, gegenüberzustehen.

Das alles sieht jetzt zwischen Trump und Franziskus völlig anders aus. Für den Lateinamerikaner Bergoglio scheint der Yankee und Multimilliardär der Inbegriff einer Finanzmacht zu sein, deren „Wirtschaft tötet“. Trump war noch gar nicht Präsident, da ließ sich der Papst zu der Bemerkung hinreißen: „Dieser Mann ist kein Christ.“ Es war auf der „fliegenden Pressekonferenz“ beim Rückflug von Mexiko im Februar 2016, als ein Journalist Äußerungen des Präsidentschaftskandidaten Trump wiedergab, der aktuelle Papst sei „ein Mann der Politik, (...) vielleicht auch eine Marionette, ein Werkzeug der mexikanischen Regierung für die Einwanderungspolitik“. Auf die Frage des Journalisten nach Trumps Plänen eines Mauerbaus an der Grenze zu Mexiko meinte Franziskus dann: „Ein Mensch, der nur daran denkt, Mauern zu errichten, wo auch immer, und nicht Brücken zu bauen, ist nicht christlich. Das steht nicht im Evangelium.“ Und abmildernd setzte er dazu: „Dieser Mensch ist nicht christlich, wenn er das so sagt. Man muss prüfen, ob er die Dinge so gesagt hat. Und darum halte ich ihm diesen Zweifel zugute.“ Trump antwortet damals sofort auf Facebook: Für einen religiösen Führer sei es beschämend, den Glauben eines Menschen infrage zu stellen. Er fügte hinzu: „Wenn der Vatikan vom IS angegriffen wird, was das Ziel der Terrormiliz ist, wird sich der Papst noch wünschen und dafür beten, dass Donald Trump Präsident ist.“

Das war kein guter Einstieg in eine Beziehung, in der es jetzt zur ersten persönlichen Begegnung kommt. Beide haben inzwischen gelernt, vorsichtiger übereinander zu reden. Auf dem Rückflug von Fatima – wieder bei der „fliegenden Pressekonferenz“ – kündigte Franziskus für das Treffen Offenheit an: „Es gibt immer Türen, die nicht ganz zu sind.“ Man müsse stets über Gemeinsamkeiten sprechen und „Schritt für Schritt vorangehen“. Frieden sei „eine Handwerkskunst“, so der Papst. Seine eigene Sichtweise zu Migranten sei bekannt. Zu Trumps Auffassung sagte er, er bilde sich „nie ein Urteil über eine Person, ohne sie anzuhören“. Auf die Frage, ob er erwarte, dass Trump seine Positionen nach dem Treffen abmildere, antwortete er nur, dies sei politisches Kalkül, das er sich selbst nicht gestatte.

Franziskus wird am Mittwoch weder Trump ändern, noch wird das diesem umgekehrt mit dem Papst gelingen. Das Treffen wird zwischen zwanzig und vierzig Minuten dauern, es wird Fotos geben – sicherlich auch einen Handschlag zwischen den beiden. Aber dann wird es auch eingebettet bleiben in die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Seiten. Und da gibt es noch den Vize-Präsidenten Mike Pence, einen bekennenden Katholiken, und demnächst die neue US-Botschafterin beim Vatikan, Callista Gingrich, Frau des ehemaligen Sprechers des Kongresses der Vereinigten Staaten, ebenfalls eine engagierte Katholikin. Diese Ernennung Trumps hat Kritik hervorgerufen: Gingrich sei politisch unerfahren und nicht genügend auf den Posten vorbereitet. Auch Katholiken in den Vereinigten Staaten hätten sich ein stärkeres Kaliber für den Botschafterposten beim Vatikan gewünscht. Aber es melden sich auch jene zu Wort, die die Entscheidung Trumps verteidigen: Gingrich sei über ihren Mann gut vernetzt und eine resolute Persönlichkeit. Eigenschaften, die auf dem diplomatischen Parkett nicht zu unterschätzen seien. Die persönliche Beziehung zwischen Franziskus und Trump wird jetzt bei der ersten Begegnung nicht in herzliche Freundschaft umschlagen. Dass der amerikanische Präsident soeben mit Pomp und Säbeltanz von den Saudis empfangen wurde und dem Verbündeten Waffensysteme in Höhe von 110 Millionen Dollar verkauft, dürfte Franziskus wieder nicht gefallen haben. Der internationale Waffenhandel ist für den Papst ein Grund des islamistischen Terrorismus. In vielem, was Bergoglio sagt und denkt, nicht nur zur Flüchtlingsfrage, sondern etwa auch zur Klima-Politik, scheint Trump der Anti-Franziskus zu sein. Doch wenn es um Politik geht, dann steht hinter beiden noch ein gewichtiger diplomatischer Apparat. Und der agiert vor allem pragmatisch.

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