Vor einem Jahrzehnt war die Türkei am Rande des Staatsbankrotts, wirtschaftlich zerrüttet, außenpolitisch orientierungslos und gesellschaftspolitisch in einem Stellungskrieg verfangen. Auf einen EU-Beitritt drängten die regierenden Kemalisten, um Atatürks Vision zu erfüllen und das Land wirtschaftlich zu retten. Seitdem hat sich fast alles geändert: Die türkische Wirtschaft boomt, das Land spielt außenpolitisch eine aktive und selbstbewusste Rolle, Regierung und Parlament drängen auf gesellschaftlichen Wandel und eine Verfassungsreform. Der Beitritt zur Europäischen Union ist für die Regierung Erdogan vor allem ein Instrument, um innenpolitische Reformen durchzuziehen und die Macht der Generäle zu brechen.
Der türkische Sultan kann nicht vor Zypern kapitulieren
Erdogan droht der Europäischen Union mit einer Eiszeit, weil er wegen der Zypern-Frage sein Lebenswerk nicht aufs Spiel setzen will. Von Stephan Baier