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Abtreibung: Polens Bischöfe kritisieren Verfassungsgericht

Eigentlich sollte Polens Höchstgericht prüfen, ob die Verfassung eugenische Abtreibungen erlaube. Die Richter ließen die Legislaturperiode aber verstreichen, ohne dem Antrag nachzukommen.
Erzbischof Gadecki kritisieren Verfassungsgericht
Foto: Andrzej Grygiel (PAP) | Erzbischof Stanislaw Gadecki beklagt: "Wir haben die gesetzliche Erlaubnis zur Selektion aufgrund des Gesundheitszustandes des noch ungeborenen Kindes, was eine direkte Diskriminierung darstellt.“

Die polnischen Bischöfe machen derzeit mit ungewöhnlich deutlicher Kritik am Verfassungsgericht des Landes sowie der konservativen PiS-Regierung von sich reden. Der Grund ist das bestehende Abtreibungsgesetz, das den polnischen Oberhirten noch nicht weit genug geht. So beklagte der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, dass sich die höchsten Richter Polens weigerten zu prüfen, ob die Verfassung die Abtreibung von schwer geschädigten Föten erlaube.

"Das Ausbleiben einer Entscheidung des
Verfassungsgerichts bewirkt, dass in den kommenden
Jahren Hunderte Kinder getötet werden, nur weil sie
wehrlos sind und vom Schicksal benachteiligt wurden"
Erzbischof Stanislaw Gadecki

„Das Ausbleiben einer Entscheidung des Verfassungsgerichts bewirkt, dass in den kommenden Jahren Hunderte Kinder getötet werden, nur weil sie wehrlos sind und vom Schicksal benachteiligt wurden“, kritisierte Gadecki. Dass sich der Erzbischof von Posen gerade jetzt äußert, hängt mit dem Ende der aktuellen Legislaturperiode des polnischen Parlaments im November zusammen. Bereits 2017 hatten mehr als 100 Abgeordnete, die mehrheitlich der Regierungspartei angehörten, die Prüfung beim Verfassungsgericht beantragt. Da die obersten Richter dem Antrag bisher nicht nachgekommen sind, ist dieser nun verfallen.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist das polnische Abtreibungsgesetz bereits sehr restriktiv. Es erlaubt Abtreibungen nur in drei Ausnahmefällen: Wenn eine Frau vergewaltigt wurde, wenn ihr Leben in Gefahr ist oder wenn das Kind eine schwere Behinderung oder Missbildung haben wird. Diesen letzten Punkt wollen Pro-Life-Aktivisten und eben auch die katholischen Bischöfe aus dem Gesetz eliminieren.

Bischöfe: "Eugenische Abtreibungen" in Polen erlaubt

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Erzbischof Gadecki zufolge verstoße der Passus derzeit gegen das Prinzip der demokratischen Rechtsstaatlichkeit, da in Polen dadurch eine „eugenische Abtreibung“ zulasse. „Wir haben die gesetzliche Erlaubnis zur Selektion aufgrund des Gesundheitszustandes des noch ungeborenen Kindes, was eine direkte Diskriminierung darstellt.“

Obwohl Abgeordnete der PiS-Regierung mehrheitlich den Prüfungsantrag eingebracht hatten, kritisierte Gadecki die Regierungspartei dennoch und warf ihr Wortbruch vor. „Wegen der Nichteinhaltung des Wahlversprechens“, das Leben vom Zeitpunkt der Empfängnis an zu schützen, müsse er seine Enttäuschung zum Ausdruck bringen.

Offiziellen Angaben zufolge werden in Polen etwa 1.000 gesetzlich erlaubte Abtreibungen pro Jahr durchgeführt – fast alle davon, weil der Fötus unheilbar krank gewesen sei.

DT/mlu

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