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Parteiische Richter? 100 Juristen richten Appell an Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 

Einige Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterliegen - einer Untersuchung zufolge - Interessenkonflikten. Ein Aufruf renommierter Juristen fordert Transparenz und die Einhaltung von Regeln.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Foto: Violetta Kuhn (dpa) | Straßburg: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der auch als „das Gewissen Europas“ apostrophiert wird, übt auf gesellschaftspolitisch relevante Entscheidungen der 47 Mitgliedstaaten des Europrates einen bedeutenden Einfluss aus – und  damit auf über 833 Millionen Europäer.

Interessenkonflikte europäischer Richter

100 Juristen haben nun in der französischen Zeitschrift Valeurs actuelles ihre Besorgnis über Interessenkonflikte zum Ausdruck gebracht, denen einige der Richter des EGMR ausgesetzt sind, die im Zusammenhang mit ihrer Richterfunktion und ihrer gleichzeitigen Beziehung zu Nichtregierungsorganisationen stehen. Mit ihrem Appell möchten die Rechtsexperten, Hochschullehrer oder Richter, zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der EGMR-Richter aufrufen.

Eine Untersuchung des Juristen Grégor Puppinck vom „European Centre for Law & Justice“ (ECLJ), das sich unter anderem für Religionsfreiheit einsetzt, hatte kürzlich ergeben, dass 22 der 100 Richter, die in der Zeit von 2009 bis 2019 am EGMR tagten, ehemalige Mitarbeiter oder Leiter von sieben am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aktiven NGOs sind. Der Report des ECLJ zeigt zudem, „dass 18 von ihnen in Rechtssachen tagten, an denen die jeweilige Organisation beteiligt war, in der sie selbst Mitglied waren“. Zwölf dieser 18 Richter gehören den „Open Society Foundations“ (OSF) an, die eine „offene Gesellschaft“ befördern möchten. Die sechs übrigen Richter gehören NGOs an, die von den OSF finanziert werden.

Offenlegung von Interessenerklärungen

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Angesichts dieser Sachverhalte, die „den Grundsätzen der richterlichen Ethik widersprechen“, befürchten die Unterzeichner des Appells, dass „die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des EGMR infrage gestellt sind“. Sie fordern daher: „In Anbetracht der Bedeutung des EGMR im System zum Schutz der Menschenrechte rufen wir den Gerichtshof dazu auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation zu verbessern, um sowohl die Vergangenheit zu klären als auch sich für die Zukunft bereit zu machen“. Im Hinblick auf die bestehende Rechtsprechung bitten die Juristen den Gerichtshof, jeden Antrag auf Revision eines Urteils „grundsätzlich wohlwollend zu behandeln“, an dem ein Richter mitgewirkt hat, der – empfänglich für Interessenkonflikte – damals unterlassen hatte, seine Verbindungen zu den involvierten NGOs bekanntzugeben: „Wir bitten den Gerichtshof, sich in Zukunft die Beachtung der Richtlinien zur Pflicht zu machen, die er den nationalen Rechtsprechungen in Bezug auf ein faires Gerichtsverfahren vorschreibt“. Zu diesem Zweck sollte der Gerichtshof insbesondere, „den Richtern die Offenlegung von Interessenerklärungen vorschreiben und ihnen die Verpflichtung auferlegen, den Präsidenten bei begründeten Zweifeln an ihrer objektiven Unabhängigkeit oder ihrer objektiven Unparteilichkeit zu informieren“. Zudem solle die „Parlamentarische Versammlung des Europarates, die für die endgültige Wahl der Richter verantwortlich ist, die Anwärter auf dieses Amt bitten, ihre Verbindungen zu jeglicher am EGMR aktiven Organisation offenzulegen, und die Wahl von ‚Aktivisten‘ zum Richter unterbinden“.

DT/ks

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