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Werbeverbot für Abtreibungen: Plötzlich geht alles ganz schnell

Die Reform von § 219a ist beschlossen. Eine Nachbetrachtung in fünf Akten.
Werbeverbot für Abtreibung: absurdes Theater
Foto: Jörg Carstensen (dpa) | Fünf Minister brauchte es, damit am Ende ein Kompromiss steht, mit dem keiner zufrieden ist.

I. Akt: Das Positive zuerst: Viele Bürger wären gern stolz auf die von ihnen gewählten Volksvertreter. Nur: Leicht machen diese ihnen das selten. Das war auch beim Streit um den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch nicht anders. Da verhandelten CDU/CSU und SPD erst monatelang ergebnislos über die Reform des Werbeverbots für Abtreibungen und dann geht plötzlich alles ratzfatz.

Am Ende steht ein Kompromiss, mit dem niemand zufrieden ist

Gleich fünf Bundesminister hatten die in dieser Frage heillos zerstrittenen Koalitionäre aufbieten müssen und das nur, um am Ende einen Kompromiss zu präsentieren, mit dem niemand zufrieden ist. Die Regierungsparteien nicht, die der Opposition nicht, die Lebensrechtler nicht, die drei vor Gericht stehenden Ärztinnen nicht und die Abtreibungslobby schon gar nicht.

Dass Politiker sich nicht berufen fühlen, Probleme sachgerecht zu lösen, sondern lediglich einen Ausgleich der tatsächlichen oder auch nur gefühlten Interessen herbeizuführen, ist für viele im Lande immer noch gewöhnungsbedürftig. Sieht man davon einmal ab, muss man der Großen Koalition zu ihrem Kunststück allerdings gratulieren: Mit der Reform des § 219a Strafgesetzbuch alle in nahezu vergleichbarem Umfang unglücklich zu machen, schafft nicht jeder.

Nicht einmal zwei Sitzungwochen, um das gelockerte Werbeverbot unter den Tisch zu schlagen

II. Akt: Rekordverdächtig: Am Ende benötigt die Große Koalition nicht einmal zwei Sitzungswochen, um das gelockerte Werbeverbot für vorgeburtliche Kindstötungen im Schweinsgalopp unter den Tisch zu schlagen. 12. Februar: Einbringung des Entwurfs eines „Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ (Bundestagsdrucksache 19/763). 15. Februar: Erste Lesung, Dauer der Debatte: 38 Minuten.

18. Februar: Öffentliche Anhörung im federführenden Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz. 21. Februar: Zweite und Dritte Lesung, Dauer der Debatte: 77 Minuten. Anschließend namentliche Abstimmung. Ergebnis: 371 Abgeordnete stimmen für den „faulen Kompromiss“, 277 dagegen. Vier enthalten sich.

DT

Die ganze Absurdität der Reform des Werbeverbots für Abtreibungen erfahren Sie in den weiteren Akten in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 28. Februar 2019.

Themen & Autoren
Stefan Rehder SPD Schwangerschaftsabbruch

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