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Türkei: „Es herrscht das Gesetz der Willkür“

Renate Sommer, die Türkei-Expertin des Europäischen Parlaments, äußert sich kritisch zur politischen, wirtschaftlichen und humanitären Lage in der Türkei. Auch die mangelnde Achtung der Religionsfreiheit bereite ihr große Sorgen.
Deutsche und türkische Flagge
Foto: Marijan Murat (dpa) | ARCHIV - 16.01.2016, Baden-Württemberg, Stuttgart: Die türkische und die deutsche Flagge stehen bei der Reisemesse Caravan Motor Touristik auf einer Ablage am Stand der Türkei.

Renate Sommer, die Türkei-Expertin des Europäischen Parlaments, sieht die Lage in der Türkei als „katastrophal“. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 missbrauche die Regierung den Ausnahmezustand, um Kritiker, politische Gegner und Andersgläubige mundtot zu machen, erklärt Sommer im Gespräch mit der „Tagespost“. „Damit setzt die Regierung dauerhaft die Menschenrechtskonvention außer Kraft. Es herrscht das Gesetz der Willkür.“ Die EU dürfe nicht tatenlos zusehen, sonst verspiele sie endgültig ihre Glaubwürdigkeit.

Sommer ist zudem überzeugt davon, dass der türkische Präsident Erdogan nie den EU-Beitritt seines Landes wollte. „Erdogan hat nur das ,EU-Spiel', das bei seiner Amtsübernahme als Ministerpräsident längst lief, mitgespielt, um daraus Vorteile für sein Land zu ziehen“, meint die Türkei-Expertin. Eine Europäisierung des türkischen Staates durch die Übernahme westlicher Werte habe aber niemals auf Erdogans Agenda gestanden. Die um 17 Monate vorgezogenen Wahlen am 24. Juni sieht Sommer als Folge der desaströsen wirtschaftlichen Lage der Türkei. „Durch die immer repressivere Politik Erdogans wurde das Land heruntergewirtschaftet.“ Die Regierung werde dies nicht mehr lange vertuschen können.

Auf die Frage, ob die EU die Lage der christlichen Minderheiten in der Türkei im Blick habe, antwortet Sommer: „Die Lage der christlichen Minderheiten war und ist gerade für uns Christdemokraten ein sehr wichtiges Thema, zumal es in der Türkei auch während des EU-Prozesses der vergangenen 19 Jahre nie wirkliche Religionsfreiheit gab.“ Die mangelnde Achtung der Religionsfreiheit, die Diskriminierung religiöser Minderheiten, darunter Christen und Aleviten, sowie Gewalt aus religiösen Gründen bereite ihr große Sorge. „Wir fordern die türkische Regierung auf, endlich wirksame Reformen im Bereich der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit einzuleiten.“

Das ausführliche Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 21. Juni.
DT

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