Das Jahr 1968 ist zu einer Chiffre geworden. Für die Einen ist es so etwas wie das zweite Gründungsdatum der Republik. Für die Anderen ist "68" zum Synonym für eine Kulturrevolution geworden, die alle gewachsenen Traditionen und Strukturen der bürgerlichen Lebenswelt in Frage gestellt hat. Die erste Lesart gilt als "links", die zweite als "rechts". Aber werden diese Kategorisierungen nicht immer mehr selbst zu Chiffren, zu bloßen Etiketten, die kaum noch Aussagekraft besitzen? Fest steht: 1968 ist ein Schlüsseljahr für die kirchliche Entwicklung in Deutschland. Im Mittelpunkt steht dabei der 82. Katholikentag in Essen. Er symbolisiert die verpassten Chancen. Unter dem Leitwort "Mitten im dieser Welt" gelang es dort nicht, überzeugend eine katholische Antwort zu formulieren. Es gibt aber auch das andere 68, das Jahr der kraftvollen katholischen Akzente: Papst Paul VI. veröffentlicht seine Enzyklika "Humanae vitae" mit dem Verbot künstlicher Mittel zur Empfängnisverhütung. Und ein junger Theologe namens Joseph Ratzinger veröffentlicht ein Buch, das schon bald die Bestseller-Listen stürmt: "Einführung in das Christentum".
Aufbruch oder Abbruch? Es kommt ganz auf die Lesart an. Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 15. März eine Annäherung an das Schlüsseljahr 1968 aus zwei verschiedenen Perspektiven.
DT/sesa