Zur Marxschen Lehre vom Klassenkampf gehört auch die Religionskritik. Die Kritik an der Religion sei jedoch nicht nötig gewesen, um den Kapitalismus zu stürzen, meint der Philosoph Jörg Splett im Gespräch mit der „Tagespost“. Karl Marx habe zwar die Religion kritisiert, aber das Problem sei ihm eigentlich „zu papieren und zu wenig realistisch“ gewesen. Die reale Situation sei tatsächlich die Unterdrückung im Frühkapitalismus. „Die Religionskritik hielt er zwar für richtig, aber dabei zu bleiben wäre eben gerade falsch“, so Splett. Die Religion sei für Marx Teil der Geschichte der Macht und würde überflüssig werden, wenn es keine Machtverhältnisse mehr gebe, meint der emeritierte Philosophieprofessor. „Der eigentliche Kern der Entmächtigung der Menschen liegt nach seiner Auffassung in der Durchsetzung des Religiösen.“
Zur Frage, ob die Religionskritik von Marx heute noch eine Rolle spiele, etwa in der Befreiungstheologie, meint Splett: „Ich habe den Eindruck, dass das ein Stück verschwunden ist.“ Die Menschen in Lateinamerika hätten versucht, auf den humanistischen Marx zurückzugehen. „Deswegen haben sie ja dann auch vor allem die frühen humanistischen Texte wie die sogenannten Pariser Manuskripte aufgenommen.“ Auch gehe von Marx nach Ansicht Jörg Spletts nicht unbedingt die Hauptlinie der Religionskritik aus. Wenn man die Studenten der sechziger und siebziger Jahre betrachtet, so sei es eher eine Mischung von Marx, Nietzsche und Freud gewesen, die in der Religionskritik dominiere.
DT
Das ausführliche Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 03. Mai.