Kaum eine Woche vergeht, in der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht eine neue Idee für eine Gesetzesänderung verkündet. Das gilt auch für das heikle Thema Organspende. Künftig soll jeder „Organspender“ sein, wenn er nicht zuvor ausdrücklich der Nutzung seiner Organe widersprochen hat.
Lange niedrige Spenderate in Spanien trotz Widerspruchsregelung
Diese „Widerspruchsregelung“ will der CDU-Minister möglichst schnell unter Dach und Fach bringen. Sie begegnet vor allem dann grundlegenden Bedenken, wenn man dem „Hirntodkonzept“, das die Grundlage der geltenden Regelung zur Organspende darstellt, kritisch gegenübersteht. Ist nämlich ein Patient mit Ausfall aller Hirnfunktionen noch nicht tot, sondern ein Sterbender, dann dürfte wohl jedem einleuchten, dass allenfalls der Betroffene selbst eine Organentnahme erlauben kann.
Unabhängig von dieser Grundsatzfrage gibt es weitere und gewichtige Argumente gegen den von Spahn und einigen anderen Abgeordneten vorgeschlagenen Gesetzentwurf. Zunächst ist schon fraglich, ob eine Änderung des Zustimmungsmodus überhaupt einen nennenswerten Einfluss auf die Zahl der Organspenden hat. Das oft als Musterbeispiel genannte Land Spanien hatte trotz Widerspruchsregelung viele Jahre eine vergleichsweise niedrige Spenderrate. Erst nach organisatorischen Änderungen – und einer Aufweichung des Todeskriteriums, sodass ein vollständiger Hirnfunktionsausfall gar nicht zwingend überprüft werden muss – haben sich die Organspendezahlen deutlich erhöht.
Auch ein Vergleich unter europäischen Staaten fällt ernüchternd aus
Auch ein Vergleich unter den europäischen Staaten, die eine „Widerspruchsregelung“ haben, zeigt, dass dieses Regelungsmodell nicht automatisch eine hohe Zahl an transplantierbaren Organen garantiert. So hat Ungarn nur halb so viele Organspender wie Belgien, obwohl die rechtliche Regelung beider Länder vergleichbar ist.
DT
Warum die beabsichtigte Neuregelung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspricht, an den jedes staatliche Handeln gebunden ist, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 29. Mai 2019.