Die Frage, ob der Islam zu Österreich gehört, ist nicht nur von der Mehrheitsgesellschaft zu beantworten, sondern richtet sich vielmehr an muslimische Organisationen, "ob sie sich denn selbst als Teil dieser Gesellschaft betrachten". Das betont der an der Uni Wien lehrende Islamwissenschaftler Adnan Eslan in einem Beitrag für das jüngst erschienene "Österreichische Jahrbuch für Politik". Darin plädiert der Professor für islamische Religionpädagogik dafür, dass in Österreich lebende Muslime einen Islam europäischer Prägung entwickeln, um sich zu beheimaten. Es sei "die historische Aufgabe der in Europa lebenden Muslime" ein religiös fundiertes Verhältnis zur Pluralität zu entwickeln, auch im Blick auf islamische Länder, "um den Islam aus historischen und theologischen Zwängen zu befreien".
Mit geschätzt 700 000 Muslimen habe Österreich den höchsten muslimischen Anteil in Westeuropa, was deren nötige Integration in die Gesellschaft zur politischen "Kardinalaufgabe" mache, so Aslan unter Verweis auf das aktuelle Regierungsprogramm. Österreich biete im europäischen Vergleich zugleich "die besten Voraussetzungen für eine rechtliche Integration der Muslime in Europa". Dazu zählten vor allem die seit 1912 gegebene rechtliche Anerkennung des Islam, verbunden mit dem Recht zur Erteilung des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen.
Trotz positiver Voraussetzungen für die Integration von Muslimen werde diese aber durch die islamische Organisationsstruktur in Österreich selbst erschwert, kritisiert Aslan. So sei in den letzten Jahren zu beobachten, "dass muslimische Organisationen immer mehr ihre Stellung weniger in der Mitte, sondern am Rande der Gesellschaft suchen". Man könne sogar von einer "wachsenden, professionellen Isolation sprechen". Grund dafür sei das offensichtliche Interesse ausländischer Staaten, muslimische Organisationen in Europa für ihre politischen und theologischen Interessen zu "instrumentalisieren".
Gleichzeitig relativiert Aslan die Bedeutung muslimischer Organisationen, zumal nur rund 20 Prozent der Gläubigen in Moscheeverbänden organisiert seien. Darüber hinaus seien die Muslime in sich sehr vielfältig, was sich auch in einer sehr unterschiedlichen religiösen Praxis zeige. Der in der medialen und politischen Debatte oft vermittelte Eindruck, dass Muslime "eine homogene Gruppe von hochreligiösen Gläubigen" sei, stimme daher nicht, so Aslan unter Verweis auf eine aktuelle Studie über die alltägliche Glaubenspraxis von Muslimen in Österreich.
DT/KAP