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Ökumenisches Schreiben: Gegen Vertrauenskrise der Demokratie

Wahrgenommene Probleme ansprechen und deutlich machen, dass die Kirchen bereit seien, an Lösungen der gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen mitzuwirken. Das ist das Ziel eines gemeinsamen Wortes der deutschen Bischöfe und der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Ökumenisches Schreiben gegen Vertrauenskrise in der Demokratie
Foto: Oliver Killig (dpa-Zentralbild) | „Es braucht die Einhaltung ungeschriebener Voraussetzungen der Demokratie in Form einer demokratischen Sittlichkeit", meint der Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck.

Gegen eine Vertrauenskrise der Demokratie in Deutschland und Europa kämpfen und ein Erstarken populistischer und anti-demokratischer Kräfte verhindern: Diesem Ziel verschreiben sich die deutschen Bischöfe gemeinsam mit der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Dazu haben die beiden großen Kirchen ein Schreiben veröffentlicht, das den Titel „Vertrauen in die Demokratie stärken“ trägt. Es baut auf dem Gemeinsamen Wort „Demokratie braucht Tugenden“ aus dem Jahr 2006 auf.

Auftrag der Kirchen, sich für die Gesellschaft zu engagieren

Ziel des Textes ist es laut einer Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz, „wahrgenommene Probleme anzusprechen und zugleich deutlich zu machen, dass die Kirchen bereit sind, an Lösungen dieser Herausforderungen mitzuwirken“. Zum Selbstverständnis der Kirchen gehöre auch der Auftrag, sich in und für die Gesellschaft zu engagieren. Dieses Engagement stelle daher den Antrieb für die ökumenischen Überlegungen zum politisch notwendigen Handeln dar.

Der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Franz-Josef Overbeck, verwies darauf, dass Vertrauen in die Demokratie nichts Selbstverständliches sei. Stattdessen betonte der Essener Bischof: „Es braucht die Einhaltung ungeschriebener Voraussetzungen der Demokratie in Form einer demokratischen Sittlichkeit. Dies umfasst wesentlich den Respekt des jeweils anderen, die Anerkennung demokratischer Spielregeln, eine Bereitschaft zum Kompromiss sowie die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen, selbst wenn man anderer Meinung ist.“

Overbeck: Kirchen stehen für ein multilaterales, solidarisches Europa

Wer verantwortlich handle, so Bischof Overbeck, stärke Vertrauen - im nationalen als auch im europäischen Kontext: „Wir Kirchen in Deutschland stehen ein für ein multilaterales, subsidiär geordnetes Europa, das solidarisch auf den Ausgleich der verschiedenen Interessen hinwirkt. Wir verstehen Europa nicht nur als Union von Staaten oder als wirtschaftliche Kooperation von Unternehmen. Vielmehr ist das Friedensprojekt Europa für uns eine Union der Bürgerinnen und Bürger, die für unser gemeinsames europäisches Haus Verantwortung übernehmen.“

Auch die EKD betonte wie wichtig es sei, dass die Kirchen zu einer lebendigen Demokratie betrügen. „Wir sehen eine wichtige Aufgabe als Kirchen darin, für eine vitale Kultur des Christentums und einen lebendigen Glauben als Stützen der Demokratie zu werben“, so der Vorsitzende der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, Reiner Anselm. Die Botschaft von der Versöhnung motiviere dazu, einander als Gleichberechtigte anzuerkennen und immer wieder nach Kompromissen zu suchen. „Wir sind überzeugt, dass eine lebendige Glaubenspraxis auch maßgeblich dazu beiträgt, die Demokratie als Ordnung der Freiheit lebendig bleiben zu lassen.“

CDU-Politiker Hirte lobt Schreiben: "Kritischer Entwurf zur richtigen Zeit"

Von Seiten der Politik gab es Lob für das ökumenische Schreiben: Der Beitrag der beiden Kirchen sei ein „kritischer Entwurf zur richtigen Zeit“ und schreibe der Politik die richtigen Aufgaben ins Stammbuch, äußerte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte. „Die angesprochenen vier Komplexe der Globalisierung, einer Unzufriedenheit mit den sozio-ökonomischen Verhältnissen, die Folgen der weltweiten Migration und der Digitalisierung sind Herausforderungen, denen wir uns für den Erhalt unserer freiheitlichen-demokratischen Grundordnung mit aller Kraft widmen müssen.“

Der Vorsitzende des Stephanuskreises innerhalb der CDU verweist auch auf die Signalwirkung des Textes unmittelbar vor den Europawahlen. „Kurz vor den Wahlen des Europaparlaments zeigt der Text, dass der Kampf gegen die populistischen, anti-europäischen und anti-demokratischen Bestrebungen eine ganzgesellschaftliche Kraftanstrengung braucht.“ Dieser Kampf gehe über Parteien hinaus. Die Kirchen würden diese Verantwortung für die Gesellschaft mit ihrem Schreiben annehmen.

DT/mlu/pm

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