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Sorge um Spannungen im Libanon

Im Libanon ist ein Konvoi des Staatsministers für Flüchtlingsangelegenheiten angegriffen worden. Das schürt die Angst vor neuen Spannungen zwischen Drusen und Christen.
Konflikt zwischen Drusen und Christen
Foto: Ayal Margolin (Xinhua) | Golanhöhen: Mitglieder der religiösen Minderheit der Drusen protestieren gegen die formelle Anerkennung der von Israel annektierten Golanhöhen als israelisches Staatsgebiet durch die USA.

Im Libanon wächst die Sorge vor neuen Spannungen zwischen Drusen und Christen, nachdem Ende Juni ein Konvoi von Saleh al-Gharib, dem Staatsminister für Flüchtlingsangelegenheiten, auf dem Weg in die Provinz Mount Libanon von einer bewaffneten Gruppe angegriffen worden war. Dabei wurden zwei seiner Leibwächter getötet.

Drusen-Führer ist Gegner syrischer Einflussnahme im Libanon

Der Staatsminister war zuvor von Protesten in der Region empfangen worden. Die Provinz gilt nach Angaben von Arabnews als Hochburg des einflussreichen Drusen-Führers Walid Dschumblat, der ein vehementer Gegner der syrischen Einflussnahme im Libanon ist.

Der attackierte Minister hingegen zählt zum politischen Lager des ebenfalls drusischen Politikers Talal Arslan, der für seine pro-syrische Position bekannt ist. Saleh al-Gharib war nach eigenen Angaben auf dem Weg in das Bergdorf Qabr Shamoun. In einem Interview mit dem libanesischen Fernsehen Al-Jadeed sagte Gharib, der Vorfall sei „ein bewaffneter Hinterhalt und ein klarer Mordversuch“ gewesen.

Außenminister sagt Besuch in der Region ab

Auch Außenminister Gebran Bassil, ein maronitischer Christ und politischer Verbündeter von Arslan, hatte einen Besuch in der Region vor. Er sagte ab, nachdem Protestierende Barrikaden auf den Straßen errichtet hatten. Bassil bezeichnete den Vorfall als eine von Dschumblat organisierte Provokation. Dessen "Popular Progressive Party" lehnte jede Beteiligung ab.

Beobachter befürchten nach Angaben der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA), dass durch den Anschlag die historische Versöhnung zwischen Christen und Drusen im Libanon von 2001 erschüttert werden könnte. Für die Versöhnung hatte sich besonders der im Mai gestorbene emeritierte Patriarch der Maroniten, Kardinal Nasrallah Sfeir, eingesetzt. Jegliche Versuche der Destabilisierung müssten verhindert werden, zitierte die Zeitung „Naharnet“ einen Vertreter des Maronitisch-katholischen Patriarchats. Jeder Defekt in einer der Regionen betreffe den Libanon im Kern.

Libanon braucht nationale Einheit und Verständigung aller Bürger

Das Land brauche heute mehr denn je nationale Einheit und Verständigung zwischen allen Libanesen. Die Maroniten sind die größte christliche Gemeinschaft im Libanon. Sie stehen in Einheit mit dem Papst in Rom, haben aber eine eigene Liturgie in altsyrischer Sprache.

Der Libanon ist zwar formal eine parlamentarische Demokratie, entscheidender Faktor für die Machtverteilung ist jedoch die Religionszugehörigkeit. Das Land verfügt über 18 offiziell anerkannte Konfessionen. Posten in Politik und Verwaltung werden basierend auf einer Volkszählung aus dem Jahre 1932 verteilt. So muss der Präsident maronitischer Christ sein, der Parlamentspräsident schiitischer Muslim, der Regierungschef sunnitischer Muslim und der Armee-Oberbefehlshaber Christ sein.

Libanon nur formal parlamentarische Demokratie

Auch die Sitze im Parlament werden entsprechend verteilt. Seit Ende 2016 führt eine Regierung der nationalen Einheit unter Vorsitz des Premierministers Saad Hariri die Regierungsgeschäfte. Der Libanon ist ein kleines Land. Dennoch bietet es 1,5 Millionen Flüchtlingen aus Syrien Zuflucht. Dabei hat das Land selbst nur 4,5 Millionen Einwohner.

DT/chp

 

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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