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Frankreich: Macrons Befreiungsschlag ist misslungen

Mehr als 55 Prozent der Franzosen sind von den Versprechungen des Präsidenten nicht überzeugt. Die Proteste gegen Emmanuel Macron dürften sich fortsetzen.
Macrons Versprechen stellen Volk nicht zufrieden
Foto: Chen Yichen (XinHua) | Macrons Alleingänge, Bemerkungen und das Elitedünkel gegenüber dem einfachen Volk haben die Menschen tief verletzt und verärgert. Daher werden die Proteste weitergehen.

Wenn die Ansprache, die der französische Präsident Emmanuel Macron Anfang der Woche ans Volk richtete, als Befreiungsschlag gegen die andauernden Proteste der Gelbwesten gedacht war, so ist dieser Plan misslungen. Die Reaktionen auf seine Rede zeigen es: Mehr als 55 Prozent der Franzosen sind von seinen Worten nicht überzeugt, an vielen Stellen in der Provinz wollen die Gelbwesten ihre Blockaden fortsetzen, man wirft ihm vor, nur halbherzig auf die Forderungen eingegangen zu sein.

Würde Macron ein Referendum abhalten, er würde verlieren

Der politische Hauptvorwurf lautet: Wenn er von seinen Maßnahmen und der bisher fehlenden Mitsprache des Volkes so überzeugt ist, warum stellt er die Maßnahmen nicht in einem Referendum zur Wahl? Es wäre nicht das erste Mal, dass Frankreichs Präsidenten in kritischen Situationen das Volk um Zustimmung bitten. Doch Macron würde verlieren. Denn die Wut der Menschen richtet sich nicht nur gegen die Finanzämter, sondern gegen den Präsidenten selbst. Seine Alleingänge, Bemerkungen und sein Elitedünkel gegenüber dem einfachen Volk haben die Menschen tief verletzt und verärgert.

Es ist nicht einmal sicher, ob die von Macron angekündigten Maßnahmen die meisten Gelbwesten erreichen. Die Erhöhung des Mindestlohns um 100 Euro und die Zurücknahme der Steuererhöhung für Renten unter 2 000 Euro sowie die Freistellung von Ãœberstunden von allen Abgaben erreichen zwar viele Arme. Aber sie erhöhen kaum die Kaufkraft der Mittelschicht, insbesondere der prekären Mittelschicht, die unter der steigenden Steuerlast ächzt. Die Familien wurden von Macron – wie schon unter Vorgänger Hollande – stark belastet.

Sieben von zehn Franzosen werden wohl nicht von Macrons Versprechen profitieren

Die meisten Gelbwesten wollen abwarten und auf ihren Gehalts- oder Rentenzettel schauen. Die Enttäuschung dürfte jedoch groß sein und die Wut neu entfachen. Denn Fachleute sagen, sieben von zehn Franzosen, mithin die Familien und die Mittelschicht, werden von den Maßnahmen gar nicht berührt. Gleichzeitig ruft Macron den „wirtschaftlichen und finanziellen Notstand“ aus. Aber die Vermögenssteuer bleibt abgeschafft und auch ansonsten haben die Reichen keine Belastungen zu befürchten. Diese Ungerechtigkeit ist es, die den Groll nährt.

Warum Frankreichs Präsident die Bürger nicht besänftigt hat, die gegen seine Politik seit Wochen demonstrieren, und was dies für die Zukunft des Landes bedeutet, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 13. Dezember 2018. Kostenlos erhalten Sie diese Ausgabe hier.

DT

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