Der ehemalige deutsche Botschafter in Kamerun, Volker Seitz, kritisiert die europäischen Entwicklungshilfe-Maßnahmen für Afrika massiv. „Schlechter als die bisherige Entwicklungshilfe kann es gar nicht laufen“, so Seitz im Gespräch mit der „Tagespost“. Seit Jahrzehnten werde davon gesprochen, die „eigenen Entwicklungskräfte“ Afrikas zu stärken, ohne dass die Hilfsmaßnahmen tatsächlichen den gewünschten Effekt erbringen würden.
"Unsere Entwicklungshelfer schaffen
eine Wohlfahrtsmentalität
unter afrikanischen Politikern"
Volker Seitz
„Unsere Entwicklungshelfer schaffen eine Wohlfahrtsmentalität unter afrikanischen Politikern. Sie erkennen gar keine Notwendigkeit, selbst zu handeln, weil es immer irgendjemanden in Berlin, Brüssel oder anderswo in Europa gibt, der das für sie tut“, bemängelt Seitz weiter, der im Jahr 2008 den Bonner Aufruf für eine andere Entwicklungspolitik mit initiierte. Darin forderten er und andere Experten, wie etwa Rupert Neudeck, einen radikalen Kurswechsel.
Wirklich helfen würden laut Seitz „zielgerichtete Programme, um Schul- und Berufsbildung zu verbessern, die Gleichberechtigung der Frauen zu stärken – und vor allem Familienplanung“. Einige afrikanische Präsidenten wollten jedoch keine Einmischung von den Europäern und forderten Frauen sogar dazu auf, mehr Kinder zu bekommen, betont der 76-Jährige. Dass dieses Thema für die europäische Entwicklungspolitik keine Rolle spiele, sei ein Skandal. „Man sollte auf jeden Fall die Frauen dabei unterstützen, die Familiengröße selbstständig planen zu dürfen.“
Bevölkerungsexplosion führt zwangsläufig zu massiver Auswanderung nach Europa
Die demografische Lage in Afrika sieht Seitz als „die Wurzel der afrikanischen Armut“. In Afrika finde eine Bevölkerungsexplosion statt, die zwangsläufig zu einer massiven Auswanderung Richtung Europa führe. Denn das extreme Bevölkerungswachstum vereitele Wohlstandsgewinne. „Das weiß jeder, der sich mit Afrika eingehender beschäftigt. Der gebetsmühlenartige Ruf nach der ,Ursachenbekämpfung' impliziert, dass die Probleme Afrikas von außen gelöst werden können.“
DT/mlu
Was Volker Seitz über die deutsche Kapitänin Carola Rackete denkt, die zahlreiche schiffbrüchige Migranten vor dem Ertrinken rettete, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der Tagespost.