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Die Hagia Sophia emotionalisiert immer

Im Kommunalwahlkampf kündigte der türkische Präsident Erdogan an: Die einst prächtigste Kirche der Christenheit könnte wieder zur Moschee werden.
Istanbul: Zankapfel Hagia Sophia
Foto: Marius Becker (dpa) | Sultan Mehmet II. okkupierte, was zuvor des byzantinischen Kaisers war: Die Hagia Sophia, das geistliche Herz des Byzantinisches Reiches, wurde zur Reichsmoschee der Osmanen.

Als hätte der leidenschaftliche Wahlkämpfer die drohende Niederlage seiner AKP-Kandidaten geahnt: Präsident Erdogan zog vor der türkischen Kommunalwahl alle emotionalen Register. „Es war ein großer Fehler, aus der Hagia Sophia ein Museum zu machen“, sagte Erdogan bei einem Wahlkampfauftritt, um die Muslime Istanbuls für die AKP zu mobilisieren. Es gebe das Bedürfnis, die Hagia Sophia wieder zur Moschee umzuwandeln.

Radikale Gruppen wollen Hagia Sofia seit vielen Jahren als Moschee nutzen

Tatsächlich gibt es seit vielen Jahren radikale Gruppen, die ihre „Ayasofia“ wieder als Moschee nutzen wollen. Die AKP-Regierung ist diesem Drängen bisher nie nachgekommen, hat aber die Einsetzung eines Imams für den Gebäudekomplex gebilligt. Eine Rückwidmung zur Moschee wäre eine neuerliche Vergewaltigung der Geschichte, denn ein Jahrtausend lang war die Hagia Sophia eine christliche Kirche.

Fast 500 Jahre lang erschollen in der Hagia Sophia muslimische Gebete

Am 29. Mai 1453 überrannten die Truppen Mehmets II. das tausendjährige Ostrom. Während seine Soldaten plünderten und mordeten, ritt der Sultan zum Eingang der Hagia Sophia, wo er sich in den Staub warf und Allah für den Sieg dankte. Wenige Minuten später rief in der Basilika der Heiligen Weisheit ein Imam zu seinem Gott. Der Sultan okkupierte, was zuvor des byzantinischen Kaisers war: Das geistliche Herz des Byzantinisches Reiches wurde zur Reichsmoschee der Osmanen. Und wie vor ihm der Kaiser, so setzte nun der Sultan einen Patriarchen ein. Fast ein halbes Jahrtausend lang erschollen in der Hagia Sophia muslimische Gebete. Die christlichen Mosaike, die heute wieder faszinieren, waren übertüncht. 1935 erklärte Atatürk das Gebäude zum Museum.

DT/sba

Warum Papst Benedikt XVI. 2006 bei seiner Besichtigung der Hagia Sophia kritisiert wurde, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 04. April 2019.

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Stephan Baier Benedikt XVI. Christen Christentum Christliche Kirchen Hagia Sophia Islam Moscheen Osmanen Recep Tayyip Erdoğan

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