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Die Christen am Bosporus sind für Erdogan

Die Erben Atatürks haben das Christentum in der Türkei fast zum Erlöschen gebracht. Nun lebt es wieder auf.
Christen unter Erdogan
Foto: Murat Kula (Pool Presidential Press Service/) | Wie vor ihm manche Sultane, ist Erdogan großzügig zu den Christen seines Reiches, denn sie danken es mit ehrlicher Loyalität.

Zum ersten Mal in der fast hundertjährigen Geschichte der Türkischen Republik haben die Behörden die Genehmigung für den Neubau einer christlichen Kirche erteilt. Unter den Kemalisten, die bis 2002 herrschten, war das undenkbar. Heute renoviert der türkische Staat hunderte Kirche der Armenier und der orthodoxen Griechen, ebenso die jüdische Synagoge von Edirne.

Erdogan ist großzügig zu den Christen seines Reiches

Wie vor ihm manche Sultane, ist Erdogan großzügig zu den Christen seines Reiches, denn sie danken es mit ehrlicher Loyalität. Die in Europa beliebte These, die griechischen, armenischen, aramäischen und katholischen Kirchenführer würden die AKP-Regierung aus Furcht vor Repressionen preisen, greift zu kurz. Sie haben seit der AKP-Regierungsübernahme allen Grund, aufzuatmen: Denn sie vergleichen ihre Lage nicht mit der Religionsfreiheit in Europa, sondern mit ihrer Lage von früher.

Unter den kemalistischen Regierungen, die bei der westlichen Politik so beliebt sind, ging es den Christen in der Türkei dreckig: Die Erben Atatürks nahmen den Islam an die ganz kurze Leine des Staates, und für die christlichen Kirchen ging es ab 1923 sogar um die Existenz. Atatürks Religion war der Nationalismus, verknüpft mit einem von der Französischen Revolution inspirierten militanten Laizismus. Für die Christen, die religiöse und nationale Minderheit zugleich sind, war das eine tödliche Mischung. Die Sympathie des Westens für die kemalistische Schickeria in der Türkei quittieren die Kirchenführer am Bosporus heute mit Kopfschütteln.

Der Sultan gibt, wie der Sultan immer gab: ohne sich rechtlich zu binden

Unter Erdogans Führung hat die Türkei Kirchen renoviert und restituiert, den Kirchenführern Respekt gezollt, dem Ökumenischen Patriarchat durch großzügige Pass-Vergabe die Fortexistenz gesichert. Anschläge auf Kirchen – wie in Ägypten – gibt es in der Türkei nicht.

Freilich, der Sultan gibt, wie der Sultan immer gab: ohne sich rechtlich zu binden. Der Mächtige ist hier nicht an das Recht gebunden. Er gibt, wie er auch nehmen kann. Die Bindung der Macht an das Recht unterscheidet Europa von der Türkei, Russland oder China.

DT/sb

Wie sich der türkische Staatschef Erdogan mit Großmut gegenüber Christen deren Loyalität sichert, erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe der „Tagespost“ vom 14. März 2019.

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Stephan Baier Christen in der Türkei Christliche Kirchen

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