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§ 219a: Ein eingestelltes Verfahren und kein Freispruch

Amtsgericht Kassel stellt Verfahren gegen Nora Szasz und Natascha Nicklaus ein – Die Causa Hänel geht indes weiter: Was die Entscheidung des OLG Frankfurt bedeutet und was nicht. Von Stefan Rehder
Neue Wendung in der Causa Hänel
Foto: Silas Stein (dpa) | Das Amtsgericht Gießen hatte Hänel wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Praxishomepage im November 2017 zu einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt.

Das Amtsgericht Kassel hat das Strafverfahren gegen die beiden Frauenärztinnen Nora Szasz und Natascha Nicklaus wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot für Abtreibungen (§ 219a Strafgesetzbuch) heute eingestellt. Wie es in der Entscheidung heißt, sei die den Angeklagten zur Last gelegte Tat zwar nach damaligem Recht strafbar gewesen. Nach der Reform des § 219a sei jedoch „keine Strafbarkeit mehr gegeben“ (Az: 284 Ds 2669 Js 28990/17).

Dagegen stellt anders, als mancherorts kolportiert, die am Mittwoch ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG) keinen Freispruch der wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot für Abtreibungen (§ 219a Strafgesetzbuch) bereits in zwei Instanzen verurteilten Gießener Allgemeinärztin Kristina Hänel dar.

Neue Gesetzeslage berücksichtigt

Das Amtsgericht Gießen hatte Hänel wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche auf ihrer Praxishomepage im November 2017 zu einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt. Dagegen legte Hänel Berufung ein. Das Landgericht Gießen verwarf diese im Oktober 2018 und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts. Daraufhin beantragte Hänel Revision beim OLG Frankfurt.

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Das OLG begründet seine Entscheidung nun damit, dass es bei der Überprüfung des langgerichtlichen Urteils die inzwischen eingetretene Reform des § 219a zu berücksichtigen gehabt hätte. Es könne nicht ausgeschlossen werden können, dass die Neufassung des § 219a zu einer für die Angeklagten günstigeren Bewertung führe. Das Verfahren werde daher zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Gießen verwiesen (Az 1Ss 15/19).

Glückwünsche für die Unglückliche

Hänel selbst ist über die Entscheidung des OLG unglücklich. Über ihren Twitter-Account ließ die mit Gratulation überhäufte Ärztin, die ihren Fall vor das Bundesverfassungsgericht bringen will, wissen: „Da ich immer noch mit Glückwünschen überhäuft werde: Für mich bedeutet der Beschluss des OLG ,Penalty Box’ = zwei Runden extra laufen ...“ Und in der Tat: Hätte das OLG das Urteil des Landgerichts Gießen bestätigt, wäre für Hänel der Weg zum Bundesverfassungsgericht frei gewesen.

Das Landgericht Gießen muss den Fall also noch einmal verhandeln und dabei insbesondere prüfen, ob die neue Rechtslage, ein milderes Strafmaß ermöglicht. Daran, dass Hänels Einlassungen auf ihrer Homepage auch gegen das modifizierte Werbeverbot für Abtreibungen verstößt, gibt es unter Juristen nur wenig Zweifel. Manche halten allerdings das Werbevorbot für verfassungswidrig. Die Klärung dieser These dürfte nun länger dauern.

DT

Die Hintergründe zu diesem Thema finden Sie in der Wochenausgabe der Tagespost.

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Maximilian Lutz Bundesverfassungsgericht Kristina Hänel Stefan Rehder

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