Versicherung für alle

Der KKV sieht eine Bürgerversicherung kritisch – Die KAB begrüßt den Ansatz. Von Thomas Emons
Hausarzt
Foto: dpa | Angst vor einer Zwei-Klassen-Medizin, in der nicht jeder Patient gleich behandelt wird, treibt die Befürworter des Modells um.

Die SPD will in ihren Verhandlungen mit der Union über eine Regierungsbildung vor allem eine Idee umsetzen: Eine Bürgerversicherung, in die künftig alle privat und gesetzlich krankenversicherten Bürger einzahlen sollen. Während CDU, CSU und FDP das Bürgerversicherungsmodell ablehnen, wollen die Sozialdemokraten durch die Einführung einer solchen paritätisch finanzierten Bürgerversicherung eine Zwei-Klassen-Medizin verhindern, die aus ihrer Sicht sonst drohen würde.

Doch genau das, die Forcierung einer Zwei-Klassen-Medizin, befürchten Ärztevertreter, wie Bundesärztekammer-Präsident Frank-Ulrich Montgomery und der Bundesverband der Privaten Krankenversicherungen (PKV). Die PKV vertritt 41 Private Krankenversicherungen. PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach warnt vor dem Verlust von 68 000 Arbeitsplätzen in den privaten Krankenversicherungen. Vor dem Hintergrund der höheren Beiträge, die privat Krankenversicherte im Vergleich zu gesetzlich Krankenversicherten zahlen, sieht er außerdem massive Einnahmeverluste für Kliniken und Arztpraxen voraus, die mit Einbußen beim medizinischen Qualitätsstandard einhergehen könnten.

Joachim Hüpkes, Bundesgeschäftsführer des Verbandes der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) warnt gegenüber dieser Zeitung vor einem „politischen Schnellschuss“. Auch er fürchtet das Entstehen von Finanzierungslücken im Gesundheitssystem und den Verlust von Arbeitsplätzen bei den privaten Krankenversicherungen. „Ich frage mich, wie das praktiziert und finanziert werden soll“, sagt Hüpkes mit Blick auf die Ankündigung der Sozialdemokraten, dass bisher privat Krankenversicherte zwischen einer weiteren Mitgliedschaft in ihrer privaten Krankenkasse und einem Wechsel in die neue Bürgerversicherung wählen könnten.

Politischer Schnellschuss oder Signal der Solidarität

Der Bundesgeschäftsführer der KKV weist in diesem Zusammenhang auch auf das Problem der milliardenschweren Rückstellungen hin, die die Privaten Krankenversicherungen ansparen, um die im Alter gesundheitsbedingt stark ansteigenden Kosten für ihre Versicherten abzufedern.

Ausdrücklich begrüßt wird die nicht nur von der SPD, sondern auch von den Linken und Grünen geforderte Bürgerversicherung von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB). „Die Politik darf sich einer solidarischen Lösung im Bereich der Sozialversicherungen nicht verschließen“, erklärt der KAB-Bundesvorsitzende Andreas Luttmer-Bensmann.

Zusammen mit anderen katholischen Verbänden wie der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, Kolping, der Katholischen Landvolkbewegung und dem Familienbund der Katholiken hat die KAB mit einer groß angelegten Postkartenaktion bei den Bundestagsabgeordneten für die Einführung einer Bürgerversicherung geworben. In einem solchen Schritt sehen die katholischen Arbeitnehmer angesichts prekärer Beschäftigungsverhältnisse und eines sinkenden Rentenniveaus eine notwendige Weichenstellung gegen eine drohende massenhafte Altersarmut.

KAB-Chef Luttmer-Bensmann warnt vor einer dauerhaften Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland und stellt fest: „Mit der Forderung der Sozialdemokraten und der politischen Konstellation einer Großen Koalition besteht nun endlich die Chance, mehr Solidarität in den Sozialversicherungen zu verankern.“

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