Die Wirtschaft und damit auch die Arbeitswelt verändern sich dank der Digitalisierung rasant. Höhere Produktivität und damit auch mehr Arbeitsplätze, flexiblere Fertigung, schnellerer und individuellerer Service sind die Folge. Aber Arbeiten in der digitalen Welt hat auch Konsequenzen. Die immer differenziertere Fertigung und kleinteiligere Produktion benötigt besser ausgebildete Mitarbeiter. Einfache Tätigkeiten werden dagegen der Rationalisierung und dem Kollegen Computer geopfert.
Gleichzeitig wächst die Zahl der Click-Worker, moderne Tagelöhner, die sich tagtäglich im Netz auf die Jagd nach schlecht bezahlten Jobs machen müssen. „Industrie 4.0 ist die erste technologische Revolution, die von oben verordnet werden soll. Er ist ein Marketingbegriff, der auf eine durchgreifende Effektivierung aller Arbeitsabläufe, eine profitable Kapitalverwertung und einen verschärften Verdrängungswettbewerb abzielt“, kritisiert Dr. Michael Schäfers, Vorstandsmitglied bei der Stiftung Zukunft der Arbeit und sozialen Sicherung (ZASS), in einem Interview mit domradio.de.
Viele Menschen haben deshalb Angst vor der Digitalisierung, weil sie befürchten, dass dadurch viele Arbeitsplätze wegfallen und eine neue Massenarbeitslosigkeit bevorsteht. Andere haben Sorge, dass sich dadurch der Niedriglohnsektor vergrößert und damit die Altersarmut wächst. Nun ist Angst noch nie ein guter Ratgeber gewesen. Im Gegenteil. Sie lähmt Kräfte und verhindert letztlich einen rationalen, aber auch kreativen Umgang mit den neuen Techniken.
Keine Angst vorm Fortschritt
Im Übrigen zeigten alle technischen und wirtschaftlichen Erfindungen der letzten Jahrhunderte wie die Dampfmaschine, die Eisenbahn oder der elektrische Strom, dass unter dem Strich keine Massenarbeitslosigkeit eingetreten ist, sondern durch die gesteigerte Produktivität zusätzliche und neue Arbeitsplätze entstanden sind. Natürlich bedeutete das für viele Arbeitnehmer eine Umstellung. Sie mussten sich fortbilden, um andere, meist auch anspruchsvollere, Tätigkeiten ausüben zu können. Wer hätte bei der Einführung des Telefons gedacht, dass dank der Automatisierung und Digitalisierung heute nicht nur jeder Haushalt ein Telefon hat, sondern die Zahl der Mobilfunktelefone größer ist als die der Festnetzanschlüsse. Mit dem „Fräulein vom Amt“ wäre eine solche Entwicklung jedenfalls nicht möglich gewesen.
Aus diesem Grund beschäftigt sich der KKV-Bundesverband seit längerem mit dieser neuen Entwicklung. Frei nach dem Motto „Der Mensch ist nicht für die Arbeit da, sondern die Arbeit für den Menschen“ denkt der katholische Sozialverband darüber nach, wie menschenwürdiges Arbeiten insbesondere in einer immer schneller werdenden digitalisierten Arbeitswelt möglich ist. Unter dem Stichwort „Arbeit 4.0“ bietet deshalb der Fördererkreis für Bildungsarbeit im KKV unter anderem Samstagsforen an, um mit Unternehmen, Gewerkschaften, Verbänden und Institutionen über den technologischen Wandel in einer digitalisierten Arbeitswelt zu diskutieren. Dabei gilt sein Augenmerk besonders den Auswirkungen auf die sozialen Verhältnisse und der Frage danach, welche Chancen und Risiken sich an dem veränderten Arbeitsplatz dem Menschen bieten.
Wohlstand durch Kooperation
Schließlich wird es in der Wissensgesellschaft mehr Wohlstand nur geben durch mehr Kooperation. Sei es zwischen Ländern, zwischen Firmen oder innerhalb von Unternehmen. In der Informationsgesellschaft geht es um Fortschritte im Umgang mit Wissen und um eine Kultur des Ringens um bessere Lösungen, die allen helfen. Und das Ringen um Lösungen ist nie neutral, sondern unterliegt bestimmten Wertvorstellungen.
Diese können materialistisch sein oder ideell, sie können die Interessen des Einzelnen unterstützen, die egoistischen Ziele von Gruppen oder aber das Allgemeinwohl. Sie können rein diesseitig sein oder aber auch das Leben nach dem Tod im Blick haben. Der Wettbewerb der Werte entscheidet sich auch daran, welches Verhalten in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft mehr Stabilität und Wohlstand für die Menschen erzeugt.
Und hier sieht der KKV auch eine Chance für die Kirche. „Denn die Kirchen bringen die ,neue Universalethik‘ mit, die für Unternehmen und Arbeitnehmer immer wichtiger werden“, so Erik Händeler, Zukunftsforscher und stellvertretender Landesvorsitzender des KKV in Bayern, in seinem Buch „Himmel 4.0“. Zu Recht weist Händeler darauf hin, dass eine neue Technik nicht nur die Art, wie sich eine Gesellschaft organisiert, verändert, sondern auch ihre Wertvorstellungen und damit auch Religion und Kirche. „Eine Agrargesellschaft hat andere Glaubensbilder als die Industriearbeiter“, so Händeler. Und auch die Digitalisierung mit einer Industrie, in der Maschinen per Internet miteinander verbunden seien („Industrie 4.0“) habe andere Abläufe und Wertmaßstäbe. So hänge in Zukunft der Wohlstand davon ab, wie gut Wissensarbeiter zusammenwirken. Denn Umgang mit Wissen sei immer Umgang mit anderen Menschen, die man unterschiedlich gut kenne, unterschiedlich gerne mag und mit denen man unterschiedlich viele berechtigte Interessengegensätze habe.
Der Einzelne muss sich entfalten
Deshalb sei es wichtig, dass dieser Umgang in menschlich fairer Weise erfolge. Hierzu gehört um nur einige Eigenschaften zu nennen: Verantwortungsbewusstsein, Wahrhaftigkeit, Zuverlässigkeit. Kurzum: Bei „Himmel 4.0“ geht es darum, dass sich der Einzelne entfalten kann, aber dabei auch den Gesamtnutzen beachtet. Also letztlich um „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“.
Nicht umsonst verleiht der KKV-Bundesverband alle zwei Jahre den Ehrenpreis „Der Ehrbare Kaufmann“. Mit diesem Preis erinnert der KKV an eine alte Kernkompetenz des Verbandes: das Ideal des „Ehrbaren Kaufmanns“. Diesen Grundsatz hat der KKV als einstmals „katholisch kaufmännischer Verein“ seit 1877 hochgehalten und auch dann dazu gestanden, als es nicht unbedingt angesagt war, in Zeiten schneller Gewinne bodenständig, nachhaltig und sozial zu sein.
Der Autor ist ehemaliger Bundesvorsitzender des KKV, Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung.